Im Exil


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Unsere Hunde waren nun in Sicherheit. Am nächsten Morgen kam der Gerichtsvollzieher, stellte erleichtert fest, daß kein einziger Hund in den Räumen war, und verschwand dann wieder. In der Wohnung war es nun gespenstisch still. Wir dachten immer nur an unsere Familie und machten uns Sorgen. Wie würden die Hunde wohl die Trennung von uns überstehen? Nach ein paar Stunden versuchten wir, in Werbellin anzurufen, doch das war sehr schwierig, denn das Telefonieren war damals noch sehr umständlich. Wenn man einen Anschluß in der ehemaligen DDR erreichen wollte, mußte man erst die Ziffernfolge 037 wählen. Dann kam die eigentliche Vorwahlnummer, und da war dann meist Schluß. Man hörte schon nach der ersten oder zweiten Ziffer entweder tüt-tüt-tüt-tüt-tüt oder überhaupt nichts. Die automatischen Vermittlungsstellen waren von früh bis spät hoffnungslos überlastet. Manchmal dauerte es eine ganze Stunde, ehe man durchkam. Und dann passierte es mehr als einmal, daß der angewählte Anschluß besetzt war. Am abend endlich erreichten wir die Besitzerin der Hundepension und erfuhren, daß alle Hunde gut angekommen. Insofern waren wir eine große Sorge los. Doch wie lange würde diese Trennung dauern? Auf jeden Fall würde ich mich erst einmal am nächsten Tag auf den Weg nach Werbellin machen, um zu sehen, wie unsere Hunde untergebracht worden sind.

Am nächsten Morgen fuhr ich mit der S-Bahn zunächst nach Bernau, um die Bahn- und Autobusverbindungen der Region zu erforschen. Mein Fahrrad nahm ich natürlich mit. Dann ging es mit dem nächsten Zug weiter nach Eberswalde. Ich besorgte mir zunächst einen Plan von der Stadt und einen von der Umgebung. Dann suchte und fand ich auch den Omnibusbahnhof und erforschte den Fahrplan der Busverbindung Eberswalde - Lichterfelde - Buckow - Werbellin - Altenhof. Und dann begann eine 15 km lange Radtour. Teilweise war der Weg recht gut, aber teilweise ging es über Kopfsteinpflaster, das man mit dem Fahrrad nicht befahren konnte. Endlich in Werbellin angekommen mußte ich durch den ganzen Ort, bis ich am Grundstück von Frau Dr. Karin N. ankam. Die Begrüßung durch Frau Dr. N. war merkwürdig kühl. Dann wurde ich um das Haus herum in den Garten geführt. In diesem Garten befand sich ein Holzhaus in Blockbauweise. Frau Dr.N. öffnete die Tür und führte mich hinein. Innen waren von unten bis oben kleine Fächer nach Art von Kaninchenställen eingebaut. Vorn war eine vergitterte Tür und der Boden war mit Blech ausgeschlagen. In einigen dieser Käfige lagen Decken, in anderen nicht. In drei von diesen Ställen waren unsere Hunde untergebracht. In einem waren Robby, Aida, Brangäne, Erda und Euryanthe, in einem anderen Szu, Amneris und Despina, im dritten Ago, Sonia, Carmen und Chrysothemis. Ich war entsetzt, ließ mir aber nichts anmerken. Schließlich sind durch diese Aktion alle unsere Hunde gerettet worden. Frau Dr. N. bemerkte wohl meine Reaktion und beeilte sich, schnell zu erklären, daß unsere Hunde fast den ganzen Tag draußen im Freigelände seien.

Wir mußten uns jetzt intensiv um geeignete Räume kümmern. Also durchforschten wir systematisch alle Kleinanzeigen in den dafür in Frage kommenden Zeitungen. Das waren die Berliner Morgenpost und die Zweite Hand. Gleich am Anfang stießen wir auf eine Anzeige, in der ein Einfamilienhaus mit Grundstück in Berlin-Kaulsdorf angeboten wurde. Natürlich fihren wir sofort hin. Das Haus war zwar sehr renovierungsbedürftig, aber das hätte und nicht geschreckt. Doch angeblich war das Haus gerade vor unserer Ankunft an einen anderen Bewerber vergeben worden. Das war das einzige Objekt in Berlin. Es waren jedoch fast in jeder Ausgabe der "Zweiten Hand" einige Anzeigen mit Angeboten aus dem Umland zu finden. Dann kam wieder die Schwierigkeit, mit dem Vermieter oder Verpächter telefonisch in Kontakt zu treten. Und wenn dann endlich ein Besichtigungstermin vereinbart werden konnte, endete alles in einer Enttäuschung. Wir lernte auf diese Weise einerseits eine Anzahl von dubiosen Glücksrittern und andererseits die gesamte Umgebung von Berlin kennen. Ein besonders krasser Fall war die Besichtigung eines Grundstücks in Zepernick, kurz vor Bernau. Nachdem wir telefonisch die genaue Anschrift des Grundstücks erfahren hatten, fuhr ich erst einmal mit der S-Bahn nach Zepernick, wobei ich mein Fahrrad mitnahm, und machte mich dann auf die Suche nach dem genannten Grundstück. Bald hatte ich die gesuchte Straße gefunden. Nach ein paar Kilometern verwandelte sich die asphaltierte Straße in einen Sandweg. Je weiter ich fuhr, desto mehr durchdrang ein undefinierbarer Lärm die gesamte Gegend. Wie ich wenig später feststellte, kam dieser Lärm von der Autobahn Berlin-Stettin, die in etwa 500 m Entfernung an Zepernick vobeiführt. Schließlich fand ich das Grundstück. Es lag am Ende des Weges, wo eine sumpfige Wiese begann, die bis zur Autobahn reichte. Es sah ziemlich verwildert aus. Man konnte eine Art Bungalow erkennen. Ich wußte jetzt, um was es ging, und fuhr zurück zur S-Bahn.

Am nächsten Tag war der vereinbarte Besichtigungstermin. Meine Frau und ich machten uns rechtzeitig auf den Weg und waren etwa eine Viertelstunde vor dem Termin da. Vier oder fünf andere Bewerber waren schon da und warteten. Einer war mit einem Mercedes mit Kennzeichen aus Leverkusen da. Auch die anderen waren alle per Auto gekommen, und die Autobesitzer betrachteten uns mit unseren Fahrrädern sehr von oben herab. Von einem Vermieter war keine Spur. Schließlich kam jemand mit dem Auto, stieg aus, begrüßte uns und sagte, wir könnten jetzt das Grundstück besichtigen. Leider habe er weder Schlüssel zum Garteneingang noch Schlüssel zu Haus. Uns kam die Sache sehr dubios vor. Von irgendwo wurde eine kleine Holzleiter besorgt, und schließlich kletterten wie alle nacheinander über den Zaun. Dann standen wir alle vor dem abgeschlossenen Bungalow. Uns erschien er für unsere Zwecke zu klein, doch wir waren schließlich gezwungen, nach jedem Strohhalm zu greifen. Notfalls könnte schließlich noch ein Schuppen als Hundehaus angebaut werden. Als wir dann wieder den Rückweg über den Zaun genommen hatten, bekundeten drei der Bewerber ihr Desinteresse. Nur der Mercedes-Fahrer und wir blieben übrig. Wir sollten dann Bescheid bekommen. Der kam nicht. Wir haben nie wieder etwas gehört.

Dann entdeckten wir eine Anzeige für ein Objekt in Fürstenwalde. Nach vielen Versuchen kam auch eine Telefonverbindung zustande. Mir wurde die Adresse des Objektes mitgeteilt. Ich vereinbarte mit dem Makler einen Besichtigungstermin. Dann setzte ich mich auf mein Fahrrad, fuhr zum nahegelegten Lehrter Stadtbahnhof, fuhr dann mit der S-Bahn bis Erkner und von dort mit einem Regionalzug nach Fürstenwalde. Vor dem Bahnhof befand sich glücklicherweise eine vitrinenartige Schautafel mit einem Stadtplan. Nach längerem Suchen fand ich die Straße; sie lag genau am Südrand der Stadt. Es mußte also die ganze Stadt durchquert werden. An der Spreebrücke gab es einen riesigen Stau. Wie ich viel später feststellen mußte, war das der Normalzustand. Dann ging es noch mehrere Kilometer weiter nach Süden. Ich fand die Straße, konnte aber nicht viel von dem Grundstück sehen, da eine dichte Hecke die Sicht versperrte. Dann fuhr ich wieder zurück. Ich wußte jetzt den Weg.

Zum vereinbarten Besichtigungstermin kam meine Frau mit. Da ich den Weg bereits kannte, brauchten wir nicht lange zu suchen. Vor der Spreebrücke gab es wieder den üblichen Stau; wir waren aber schon vorher abgestiegen und schoben unsere Fahrräder auf dem Fußgängerweg am Stau vorbei.

Das Objekt bestand aus einem Wochenend-Bungalow auf einem gepflegten Rasengrundstück. Doch der Bungalow war für uns und unsere Hunde viel zu klein. Es war also wieder nichts.

 

Dann lasen wir etwas von einem Objekt in Schöneiche bei Berlin, und zwar in der dortigen Kantstraße 12. Die Sache lief wieder über einen windigen Makler in West-Berlin. Wir verabredeten uns vor dem Grundstück; der Makler kam auch tatsächlich. Das Grundstück selber war ein eingezäuntes Stück Brachland, auf dem sich ein einzelner kleiner Bungalow befand. Auf dem Grundstück befand sich zwar ein Wasserhahn, aber es gab keine Toilette. Man konnte sich nur an den Zaun zum Nachbargrundstück stellen. Auch war der Raum in dem Bungalow viel zu klein, um auch nur einen kleinen Teil unserer Wohnungsunrichtung unterbringen zu können. Doch wir waren in einer schlimmen Notlage. Unsere Hunde mußten ihr Leben in Kaninchenställen auf nacktem Blech fristen, wir mußten für jeden Tag dieser "Pension" bezahlen und wir mußten in absehbarer Zeit unsere Wohnung in Berlin-Moabit räumen.

Der Bungalow in Schöneiche, Kantstraße 12
Foto vom 30.6.2002, also 11 Jahre später

Trotz aller Bedenken griffen wir zu; es galt, zunächst unsere Hunde aus dem Gewahrsam in Werbellin zu erlösen. Ich würde mich in Schöneiche umsehen, ob wir dort in einer Scheune oder einer nicht mehr benutzten Stallung einstweilen unsere Möbel unterstellen könnten. Irgendeine Lösung würde sich schon finden.

Der Makler führte uns zu der Grundstückseigentümerin, die in Schöneiche in der heutigen Brandenburgischen Straße wohnte. Der Pachtvertrag galt zunächst für fünf Jahre. Wir mußten eine Jahrespacht vorher bezahlen und durften uns nun auf dem Grundstück betätigen. Zuerst galt, es, den Zaun hundesicher zu machen. Dann galt es, eine Toilette einzubauen. Der Arbeiten waren viele.

Als ich mich auf dem Grundstück betätigen wollte, gab es eine böse Überraschung. Die sehr resolute Eigentümerin war ebenfalls auf dem von uns gepachteten Grundstück, obwohl sie dort nichts mehr verloren hatte. Der Sohn der Eigentümerin war ebenfalls anwesend. Die Eigentümerin erklärte, daß nach Ablauf der vereinbarten fünf Jahre der Pachtvertrag nicht verlängert würde, sondern daß ihr Sohn dann das Grundstück übernehmen werde.

Die Eigentümerin wollte mir dann Anweisungen geben, an welchen Stellen ich das Unkraut zu entfernen hätte. Sie führte sich auf, als sei ich ihr Diener oder ihr Sklave. Die Dame stellte sich vor, daß wir in den vereinbarten fünf Jahren das Grundstück herrichten und bewohnbar machen, und daß sich der Sohn - ein ungeschlachter Typ mit viel Fleischmasse - sich in das gemachte Nest setzen könne. Es gab eine Auseinandersetzung, ich packte meine Sachen und mein Werkzeug ein und betrat das Grundstück nie wieder. Unser vorausbezahltes Geld haben wir natürlich nie wieder gesehen. Eine Klage beim zuständigen Kreisgericht Fürstenwalde auf Rückzahlung der vorausbezahlten Pacht durchzuziehen, erschien aussichtslos. Das Kreisgericht wurde gerade völlig umorganisiert und die Zivilabteilung war nicht arbeitsfähig.

Hier werden noch weitere Abschnitte eingefügt

Nachdem ich erst eine Woche vorher in der Gegend war, war mir der Weg schon vertraut. Ich mußte wieder durch Radensdorf fahren; der Weg führte genau an dem Grundstück des Herrn Jürgen P. vorbei. Aber ich hatte jetzt erst die Hälfte des Weges zurückgelegt. Der Weg ging dann weiter durch den Wald immer parallel zum noch immer erkennbaren Bahndamm der 1970 stillgelegten Spreewaldbahn bis zum ehemaligen über Burglehn und dann an einer riesigen Viehmast-Anlage vorbei. Schließlich kam ich an ein Haus, das offensichtlich einmal ein kleines Bahnhofsgebäude gewesen war. Von da ab war es nur noch ein knapper Kilometer bis zu meinem Ziel.

Am Ortseingang von Wußwerk. Foto vom Herbst 1991

Das Objekt lag gleich am Ortseingang und bestand aus einem Wohnhaus und einem dahintergelegenen Gebäudekomplex aus einem uralten Bauernhaus und einem größeren Haus mit einem Schaufenster.

Der Eigentümer saß mit seiner Frau im Garten hinter dem von ihm selbst bewohnten linken Gebäude und ließ sich gerade mit Bier vollaufen. Er wollte gleich einen Vorvertrag mit mir machen, doch zuvor gab es einiges zu klären. Das Wichtigste, was zu klären war, war das dauernde Aufenthaltsrecht für unsere Hunde. Der Eigentümer sagte, er habe nichts gegen Hunde, auch wenn ich 50 Hunde mitbrächte. Nur Großvieh - also Pferde oder Rinder - wollte er nicht auf dem Grundstück haben.

Dann zeigte mir der Eigentümer das Bauernhaus, um das es eigentlich ging. In dem Haus befanden sich zwei Zimmer sowie ein fensterloser kleiner Mittelraum, der früher einmal als Küche diente. Dann gab es noch eine kleine Kammer, von der aus eine Treppe in den Dachboden führtre, und eine Veranda. Als Heizmöglickeit gab es nur einen einzigen Kachelofen in dem kleineren der beiden Zimmer.

Das Bauernhaus im August 1991. Rechts die beiden Fenster des einzigen heizbaren Raumes.
Es gab keinen Eingang von der Straße aus; der aus Beton-Formsteinen gemauerte "Zaun" war durchgehend.

Eine Innentoilette gab es nicht, nur ein "Plumpsklo" neben dem ebenfalls zum Objekt gehörenden "Nebengebäude".

Nebengebäude mit Plumpsklo rechts hinter der Eingangstür
Foto von 1992

Ich war von diesen Aussichten nicht sehr begeistert. Allerdings wären hier unsere Hunde in Sicherheit. Ich sagte dem Eigentümer, daß ich erst mit meiner Frau sprechen müßte, setzte mich auf mein Fahrrad und strampelte wieder die 15 km zurück zum Bahnhof Lübben.

Wird demnächst fortgesetzt