Die Korrumpierung der Sprache


"Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei bei Gott, und Gott war das Wort."

So beginnt das Evangelium des Johannes. Wenn man anstatt des Wortes "Wort" besser "Gedanke" oder - noch besser - "Denkvermögen" einsetzt, dann wird die Bedeutung dieses geheimnisvollen Satzes sofort klar. Das (logische) Denkvermögen macht den aufrecht gehenden Zweibeiner erst zum Homo sapiens. Das gesprochene oder geschriebene Wort dient der Weitergabe von Gedanken oder von Erfahrungen - gleich, ob in Bildern (Zeichnungen), in Symbolen (Hieroglyphen) oder in einer Silben- oder Buchstabenschrift - und ist somit der Anfang von Kultur und Zivilisation.

Es gibt aber umgekehrt Situationen, in denen das Wort zur Verschleierung von Gedanken und zur Täuschung Anderer mißbraucht wird. Nicht von ungefähr heißt es in der Bergpredigt - Matthäus Kap. 5, Vers 36 - : "Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel."

Wenn man die Ergüsse der weit überbezahlten Berufspolitiker in der Flut von "Talkshows" analysiert, kommt man zu erschreckenden Ergebnissen. Wenn einem Politiker eine konkrete Frage gestellt wird, antwortet er niemals mit "Ja, ja; nein, nein", sondern er antwortet entweder mit einer Gegenfrage, um vom einem unangenehmen Thema abzulenken, oder er beginnt, über ein Thema zu dozieren, das völlig neben der Sache liegt. Dann hört man Sprechblasen wie: "Und das muß ich einmal hier ganz deutlich sagen . . . "  Doch es wird nichts gesagt.

Wie heißt es bei Goethe so schön:

"Mit Worten läßt sich trefflich streiten"

(Faust 1. Teil, Szene zwischen Mephisto und dem Schüler)


Der Mißbrauch der Sprache hat inzwischen geradezu groteske Formen angenommen. Begriffe, die unangenehm klingen, werden durch abenteuerliche Wortkonstruktionen ("Unwörter") ersetzt. Es folgen hier einige Beispiele.

Wenn die Wirtschaft stagniert, hört man in den Verlautbarungen der Politiker niemals das Wort "Stagnation" oder "Stillstand", sondern man spricht von "Nullwachstum". Diese Wortwahl ist zynisch.

Wenn die Wirtschaft schrumpft, reden die Politiker beschönigend von "Minus-Wachstum". Auch das ist zynisch.

Wenn durch betriebsbedingte Massenentlassungen die Arbeitslosenquote steigt, sagen die Manager nicht, daß Arbeitnehmer entlassen worden sind, sondern daß "Kräfte freigesetzt" werden. Auch diese Wortwahl ist zynisch.

Wenn bei der Deutschen Bahn AG oder beim Öffentlichen Nahverkehr Strecken stillgelegt, die Fahrpläne ausgedünnt und gleichzeitig die Fahrpreise erhöht werden, sprechen die Politiker von "Optimierung" oder auch von "Fahrplan-Optimierung" bzw. "Tarif-Optimierung". Auch diese Wortwahl ist zynisch.

Wenn von der Regierung staatliche Leistungen, auf die der Bürger einen Rechtsanspruch hat (z.B. gesetzliche Krankenversicherung, Betriebsrenten), gekürzt oder völlig abgeschafft werden, sprechen die Politiker von "Modernisierung" oder "Agenda 2010".

Wenn der Staat an den Tankstellen den Bürger abzockt, um Finanzlöcher bei den Rentenkassen zu stopfen, heißt diese Abzocke "Ökosteuer" - und das, obwohl kein einziger Cent aus dieser Steuer für ökologische Maßnahmen verwendet wird.

Man gebraucht den Begriff "Neo-Liberalismus" und meint in Wirklichkeit Retro-Kapitalismus; wenn die in mehr als 140 Jahren erstrittenen beispielhaften sozialen Errungenschaften in der Bundesrepublik Deutschland von einer sozialdemokratisch (!) geführten Regierung auf das in den USA bestehende rückständige Niveau gebracht werden, sprechen die maßlos überbezahlten Politiker nicht das wahre Wort "Rückschritt in die Zeit des Brutalkapitalismus" aus, sondern sprechen von "Reformen".

Wenn finanzielle Mittel für Bildung und Kultur radikal gekürzt oder ganz gestrichen werden, wenn Universitätskliniken, Theater und Opernhäuser geschlossen werden (bzw. geschlossen werden sollen) und Sinfonieorchester aufgelöst werden, wenn die Grundschulen aus Geldmangel ihre Reinigungskräfte entlassen müssen und die Kakerlaken in den Toilettenräumen der Schüler tanzen, schwafeln die Politiker zur selben Zeit von der "Gründung von Elite-Universitäten".

Zynischer geht es wohl kaum noch.


Aber auch mit der Demokratie liegt es in diesem unserem Lande im Argen. Die deutsche Übersetzung des griechischen Wortes "Demokratie" bedeutet "Volksherrschaft". Bei uns in Deutschland verstehen die Politiker unter "Demokratie" jedoch nur, daß die Bürger unter einer begrenzten Auswahl von politischen Gruppierungen das jeweils kleinste Übel wählen dürfen. Volksbegehren und Volksentscheid werden von den Politikern aller Parteien gefürchtet und deshalb mit Vehemenz abgelehnt.

Hier zwei Beispiele für die Vergewaltigung des Bürgerwillens:

1. Die Einführung der Euro-Währung geschah über die Köpfe der Bürger hinweg. Während in anderen EU-Ländern die Bevölkerung über die Euro-Abstimmung selbst entscheiden konnten, wurde der deutschen Bevölkerung der Euro aufgezwungen.

2. Die Einführung der "Neuen deutschen Rechtschreibung" geschah ohne Mitwirkung und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands. Auch in diesem Fall zwangen die Politiker den Bürgern, von deren Steuern sie schließlich sehr, sehr gut leben, ihren Willen auf.




In der Sache unterscheiden sich die Positionen der gegenwärtigen Regierungskoalition einerseits und der gegenwärtigen Opposition andererseits nur noch in Nuancen. Es wird daher an dieser Stelle ein Parteien-Zusammenschluß vorgeschlagen, nämlich: aus den Sozialdemokraten, den Grünen, den Christdemokraten, den Christsozialen und den Freidemokraten eine neue Gesamt-Partei (oder -Union) zu gründen:

die

Unsozial-Unchristlich-Undemokratische Selbstbedienungs-Einheitspartei Deutschlands

abgekürzt "UUUSED" oder - noch kürzer: "USED".

Dann hätten die von den Parteien belogenen und verhöhnten Bürger dieses Landes nicht mehr die Qual der Wahl.