In der hervorragenden "Reform"-Analyse des ehemaligen Kanzlerberaters
Alfred Müller (siehe das Kapitel "Der Reformwahn") findet
sich der folgende Satz:
"Die besonders schlechte Entwicklung in den meisten europäischen Ländern hat nichts mit einem behaupteten Reformstau und viel mit der permanenten prozyklischen Bremserei von Zentralbank und Finanzpolitik zu tun." Quelle: DER TAGESSPIEGEL Nr. 18575 vom 30.8.2004, Seite 5 |
Da sich wahrscheinlich die meisten Leser dieser Zeilen nichts unter einer "permanenten
prozyklischen Bremserei" vorstellen können, seien hier einige
Erläuterungen gegeben.
Der britische Volkswirtschaftler, Diplomat und Publizist
John Maynard Keynes (1883 bis 1946) galt bis Anfang
der 70er Jahre als der führende Vertreter einer modernen Volkswirtschaftslehre,
die er auf eine neue Grundlage stellte (v.a. in »The general theory
of employment, interest and money«, 1936; deutsch »Die allgemeine
Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes«). Die Siebzigerjahre brachten das Ende der ökonomischen Stabilität, der Vollbeschäftigung und des kontinuierlichen Wachstums. Im Zeitraum 1973 bis 1985 wuchsen die Volkswirtschaften der OECD-Länder im Durchschnitt nur noch um real 2,3 Prozent im Jahr. Mit Ausnahme Japans verzeichneten die westlichen Industrieländer in den nun häufiger auftretenden Konjunkturkrisen mitunter sogar einen Rückgang des Sozialprodukts. Die Siebzigerjahre waren die Zeit der »Stagflation«, einer Kombination aus Stagnation und Inflation. Während sich in der 1.Hälfte der Achtzigerjahre in den USA und dem ohnehin weniger betroffenen Japan eine wirtschaftliche Erholung abzeichnete, konnten die meisten westeuropäischen Länder ihre Wachstumsprobleme nicht lösen. Hinzu kam in der 1.Hälfte der Siebzigerjahre ein allmählicher Übergang von festen zu flexiblen Wechselkursen. Das währungspolitische Umfeld verlor damit an Stabilität und bot einen verstärkten Anreiz zu teilweise stark spekulativen Devisengeschäften. In Verbindung mit der schon über ein Jahrzehnt zuvor einsetzenden Liberalisierung des internationalen Kapitalverkehrs kam eine neue Entwicklung in Gang: der von realen Waren- und Dienstleistungsgeschäften weitgehend abgekoppelte Boom internationaler Kapitalströme. Gravierender waren die Probleme in der Binnenwirtschaft.
Das fast ungebrochene Wachstum der Fünfziger- und Sechzigerjahre
hatte vor allem bei den Wirtschaftspolitikern die Überzeugung reifen
lassen, das Zeitalter der Wirtschaftskrisen sei endgültig überwunden.
Die permanente Erhöhung staatlicher Sozialleistungen förderte
den privaten Konsum, wurde aber auch mit einer steigenden Staatsverschuldung
erkauft, die die Kapitalmärkte belastete und zu ständigen Preissteigerungen
führte. In Westeuropa vor allem in Westdeutschland, Frankreich und
Italien konnten die politisch relativ starken Gewerkschaften in den späten
Sechziger- und frühen Siebzigerjahren zudem wiederholt kräftige
Lohnerhöhungen durchsetzen, die nicht an der gängigen Formel
Produktivitätswachstum plus Inflationsausgleich orientiert waren,
sondern auf eine Umverteilung von oben nach unten hinausliefen. Diese
»Lohnexplosionen« setzten eine Lohn-Preis-Spirale in Gang.
In der 2.Hälfte der Siebzigerjahre verzeichneten die OECD-Länder
Preissteigerungsraten zwischen 6 Prozent (Deutschland) und über 24
Prozent (Großbritannien). Fast alle Regierungen versuchten, die
Preisstabilität durch restriktive Maßnahmen (Verknappung der
Geldmenge) wiederherzustellen, würgten damit aber die Konjunktur
ab. Schnell wurde deshalb wieder der Expansionskurs eingeschlagen und
in der 2.Hälfte der Siebzigerjahre setzte eine leichte Erholung ein,
gepaart mit einer relativen Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften.
Stimuliert wurde die Nachfrage in den Industrieländern durch die
starke Öffnung und Expansion der internationalen Kapitalmärkte.
So legten die arabischen Staaten ihre Gewinne aus den Erdölgeschäften
entweder in den hoch entwickelten Volkswirtschaften an oder kauften dort
Investitions- bzw. Rüstungsgüter. Hinzu kam noch ein weiteres
Problem: Mit der Stagflation hatte sich seit Mitte der Siebzigerjahre
auch die Arbeitslosigkeit immer mehr ausgebreitet und schlimmer noch festgesetzt. Als Hauptursache der Krise wurde zunehmend eine verfehlte
Wirtschaftspolitik gesehen. Seit Ende der Siebzigerjahre vollzog sich
ein Umbruch vom nachfrageorientierten Keynesianismus hin zum angebotsorientierten
Neoliberalismus. Politische Vorreiter waren dabei in Großbritannien
Premierministerin Margaret Thatcher und in den USA Präsident Ronald
Reagan. Das Konzept der angebotsorientierten Politik basiert im Wesentlichen
darauf, verbesserte Investitions- und Produktionsbedingungen für
Unternehmen zu schaffen, in erster Linie über eine Kostenentlastung
und die Intensivierung des Wettbewerbs. Dies setzt unter anderem den weitestmöglichen
Rückzug des Staats aus dem Wirtschaftsgeschehen voraus durch Privatisierung,
durch Deregulierung, das heißt den Abbau von Auflagen innerhalb
einzelner Branchen, sowie durch Steuersenkungen und die Reduzierung staatlicher
Sozialleistungen. Die Regierung Reagan nahm zwar Kürzungen bei den
Sozialprogrammen vor, erhöhte aber zugleich die Rüstungsausgaben
stark, um gegenüber der Sowjetunion Stärke zu demonstrieren.
Entgegen der offiziellen Rhetorik liefen die Reaganomics damit de facto
auf einen »Militärkeynesianismus« hinaus und trugen wesentlich
zur Ausweitung der bestehenden Budgetdefizite bei. Dessen ungeachtet konnten
die USA in der 1.Hälfte der Achtzigerjahre das insgesamt stärkste
Wirtschaftswachstum unter den westlichen Industrieländern verzeichnen,
gefolgt von Großbritannien, dessen Wirtschaft ebenfalls einer neoliberalen
»Rosskur« unterworfen wurde. Quelle: Der Brockhaus in Text und Bild, © 2002 Bibliographisches
Institut & F. A. Brockhaus AG (Auszüge)
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Der Keynesianismus hat die Volkswirtschaft als ein Kreislauf-Modell beschrieben. Der Staat habe die Aufgabe, aktiv auf Vollbeschäftigung und eine gleichmäßigere Verteilung des Vermögens hinzuwirken. Durch vermehrte öffentliche Aufträge habe der Staat die Möglichkeit, bei Nachfrage-Einbrüchen die Konjunktur wieder zu beleben. Durch den damit wieder angekurbelten Konsum wird das Steueraufkommen höher, sodaß die vom Staat getätigten Investitionen wieder an den Staat zurückfließen.
Das keynesianische Kreislauf-Modell wurde durch die Gewerkschaften zerstört. Die Gewerkschaften setzten in regelmäßigen Abständen Lohnerhöhungen durch, die weit über der tatsächlichen Inflationsrate lagen. Die Politik der Gewerkschaften war und ist als ein Versuch zu werten, Vermögen von oben nach unten zu verteilen. Der Arbeitgeberseite - auch dem Staat selbst - ist der Vorwurf zu machen, daß sie aus Bequemlichkeit die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften weitgehend gescheut und stattdessen die durchgedrückten Lohnerhöhungen durch ständige Erhöhung der Preise für Waren und Dienstleistungen finanziert hatte. Das haben wiederum die Gewerkschaften zum Anlaß genommen, erneut mehr zu fordern und in der nächsten "Tarifrunde" weitere Lohnerhöhungen durchzudrücken. Und die Politiker sahen dieser verhängnisvollen Lohn-Preis-Spirale weitgehend tatenlos zu.
Die Lohn-Preis-Spirale macht deutsche Waren und deutsche Dienstleistungen zu teuer. Für ein exportabhängiges Land war und ist diese Entwicklung eine Katastrophe. Die Folgen waren und sind Firmenschließungen oder die Verlagerung von Fertigungsstätten in andere Länder, verbunden mit einer entsprechenden "Freisetzung" von zu teueren Arbeitskräften im eigenen Lande. Doch je weniger Arbeitnehmer in Lohn und Brot sind, desto weniger kann konsumiert werden, denn die staatlichen Leistungen (Arbeitslosengeld II = "Hartz IV") reichen noch nicht einmal für das Notwendigste. Der Handel und die Konsumproduktion kommen in immer weitere Schwierigkeiten; es werden noch mehr Arbeitsplätze abgebaut und immer neue Arbeitslose produziert, die ihrerseits dann wieder kein Geld für den Konsum haben. Diesen zyklischen Effekt nennt man "Rezession".
Nach den Erkenntnissen von J. M. Keynes müßten sich Zentralbank und Finanzpolitik dem Rezessionszyklus entgegenstellen ("antizyklisches" Verhalten), um ihn zu stoppen. Während in Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur Kredite verteuert werden können, müßten in Zeiten wirtschaftlichen Niederganges Kredite massiv verbilligt werden, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Doch genau das Gegenteil wird heute praktiziert. Früher hatte die Bundesbank das Instrument des Diskontsatzes, mittels dessen die Höhe der Kreditzinsen gesteuert werden konnte. Doch der Diskontsatz wurde im Vertrag von Maastricht abgeschafft.
Die Verfechter des Thatcherismus-Reaganismus - fälschlich als "Neo-Liberalismus" schöngeredet - wollen die soziale Entwicklung, die in den europäischen Ländern in letzten 150 Jahren stattgefunden hatte, zurückdrehen und zu einem Brutalkapitalismus nach dem Vorbild der USA zurückkehren.
Der Staat müsse jegliche eigene Teilnahme am Wirtschaftsgeschehen aufgeben und alles dem freien Wettbewerb überlassen; dann werde sich alles von selbst regulieren. Die Folge dieser Doktrin war und ist der staatliche Privatisierungswahn. In Deutschland hatte der Staat einst einen beachtlichen Teil des Wirtschaftsgeschehens selbst bestimmen können. Bahn, Post, Wasser- und Elektrizitätswerke, Gaswerke und Abfallentsorgungsbetriebe waren Staatsbetriebe. Es hatte viele Jahrzehnte gedauert, bis die einstige Deutsche Reichsbahn und die einstige Deutsche Reichspost unter Dach und Fach gebracht werden konnten. Diese gewachsenen und bewährten Strukturen sind von den blindgläubigen Anhängern des Thatcherismus-Reaganismus mutwillig durch "Privatisierung" zerstört worden. Und warum? Weil das übergroße Vorbild, die USA, es niemals geschafft hatte, vergleichbare Strukturen im eigenen Lande herbeizuführen.
Jetzt ist es nicht mehr die Aufgabe der ehemaligen Staatsbetriebe, vorrangig für die Bevölkerung da zu sein, sondern jetzt ist es allein die Aufgabe dieser Betriebe - oder was davon noch übriggeblieben ist - eine möglichst hohe Dividende für die Aktionäre ausschütten zu können. Für den Staat ist eine solche Konstellation sehr bequem: er ist nur noch "Aktionär" und kann über den Aufsichtsrat - die Vertretung der Aktionäre - Forderungen an das Unternehmen stellen, hat aber selbst keine Verantwortung mehr für das "Privat"-Unternehmen.
Wenn dann das betreffende Unternehmen an die Börse geht, um sich durch Verkauf von Neu-Aktien Kapital zu beschaffen, und wenn sich eines Tages die Aktienmehrheit dann nicht (bzw. nicht mehr) in deutschem Besitz befindet, kommen die ausgeschütteten Dividenden (entsprechend den Aktien-Anteilen) den Aktionären in anderen Ländern zugute und verbleiben nicht in unserem Land. Die Besitzer der Aktienmehrheiten können dann in unseren Unternehmen schalten und walten, wie sie wollen. Der Betrieb wird zum Spielball von Börsen-Spekulanten. Es gibt "feindliche Übernahmen" und andere Auswüchse der "Globalisierung". Und Aktionäre in den USA oder in Japan dürften kaum daran Interesse haben, Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten oder neue zu schaffen. Es gilt nur noch, den Gewinn zu steigern - koste es, was es wolle! Und wenn keine Gewinne mehr kommen und die Aktienkurse in den Boden fallen, wird der Betrieb in ein Billig-Lohn-Land verlagert oder ganz einfach geschlossen.
Die Privatisierung der Staatsbetriebe hat der Bevölkerung ausschließlich Nachteile beschert. Bei der Deutschen Bahn AG. werden laufend Strecken stillgelegt, wenn sie sich "nicht rechnen". Personal wird abgebaut; es werden neue Arbeitslose produziert. Nebenstrecken werden manchmal an andere Bewerber "ausgeschrieben". Dann fahren Züge anderer Betreiber auf den Gleisen der Deutschen Bahn - wenn sie überhaupt fahren. Die Bahnhöfe in den großen Städten sind zu Kaufhäusern und Märkten entartet. Doch der Bahn-Service wird immer weiter abgebaut. Auf vielen Bahnhöfen kann man Fahrkarten nur noch aus Automaten bekommen, doch die Bedienung dieser Automaten ist extrem kompliziert. Es ist als Glücksfall zu bezeichnen, wenn der Automat tatsächlich eine Fahrkarte ausspuckt. Und hinsichtlich der Unpünktlichkeit der Züge, der Höhe der Fahrpreise und eines völlig unübersichtlichen Tarif-Dschungels hat sich die Deutsche Bahn AG. in den letzten Jahren ein kaum noch zu übertreffendes Negativ-Image erworben.
Bei der Deutschen Post AG. werden laufend Postämter geschlossen und Briefkästen abgebaut. Dann kam der Gang an die Börse. Von diesem Zeitpunkt geschieht alles ausschließlich zum Wohle der Aktionäre - nicht jedoch zum Wohle der Bevölkerung.
Ähnlich ist es bei den Versorgungsunternehmen (Elektroenergie, Wasser und Abwasser, Gas). Hier wird ständig an der Preisschraube gedreht.
Die verhängnisvolle Rolle der sogenannten "Treuhand-Gesellschaft" in den östlichen Bundesländern hatte ihre ideologische Grundlage im Thatcherismus-Reaganismus. Diese Behörde unter Birgit Breuel hat die "neuen" Bundesländer gezielt entindustrialisiert; der Thatcherismus-Reaganismus hat in den "neuen" Bundesländern die höchste Arbeitslosenquote seit der Weltwirtschaftskrise produziert und hat seit der Wende eine beispiellose Abwanderung von Arbeitskräften nach Westdeutschland bewirkt.
Kernpunkt der Ideologie des Thatcherismus-Reaganismus ist die radikale Senkung aller Staatsausgaben. So werden auch Ausbildung, Bildung und Kultur Opfer des Rotstiftes. Alles nach dem Vorbild der USA. Die Gewalt an den Schulen steigt und das Bildungsniveau sinkt ständig. Schulen, Theater und Orchester werden geschlossen oder durch "Zusammenlegung" abgewickelt. Parallel dazu geht die Verblödung des Volkes durch Fernsehen und Rundfunk (z.B. Serien wie "Big Brother", die "Dschungelshow" entsetzliche "Schlagerparaden der Volksmusik" und anderer Schwachsinn oder das Jugendlichen-Verblödungs-Radioprogramm "Fritz!) und durch die Boulevard-Presse. Das Motto: Je weniger Bildung das Volk hat, umso leichter läßt es sich manipulieren.
"Hartz IV" dient allein der Senkung der Staatsausgaben. "Hartz IV" kann keinen einzigen Arbeitsplatz schaffen, denn der Staat kann dank seiner radikalen Privatisierungspolitik keine Arbeitsplätze mehr anbieten. Und dennoch tönt es unbeirrt weiter aus dem Regierungs- wie Oppositionslager und aus den Unternehmerverbänden: "Die Reformen sind richtig! Sie müssen nur richtig vermittelt werden!" Dabei gehen der "bürgerlichen" Opposition diese "Reformen" noch längst nicht weit genug.
Alfred Müller schrieb:
Die so genannten Reformer sind Gift für das, was zuallererst
notwendig ist: die Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmung, die Ermutigung
zu Konsum und Investition. Jeder kann es doch sehen, wenn er durch die
Innenstädte geht. Wir sind heute weit hinter die Einsichten eines
Ludwig Erhard, eines Karl Schiller und Franz Josef Strauß zurückgefallen.
Die wussten noch - wie übrigens fast alle großen Ökonomen
von Smith über Keynes bis Schumpeter oder Stiglitz -, dass Wirtschaftspolitik
zur Hälfte Psychologie ist. Sie haben der Wirtschaft und den Konsumenten
Mut gemacht. Die Richtung stimmt, haben sie propagiert. Die Pferde müssen
wieder saufen. Das ist heute genauso richtig wie damals. Ich kenne den
Einwand. Heute sei alles anders, alles neu. Das ist die am weitesten verbreitete
und zugleich die dümmste Lüge, die ich kenne. Quelle: DER TAGESSPIEGEL Nr. 18575 vom 30.8.2004, Seite 5 |
Unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen ist ein Bremsen der wirtschaftlichen Abwärtsspirale durch nationale finanzpolitische Maßnahmen nicht mehr möglich. Im Vertrag von Maastricht haben sich die Euro-Staaten bei der Kreditaufnahme (Neuverschuldung) auf die Einhaltung einer "Stabilitätsgrenze" von 3% des Bruttosozialproduktes verpflichtet. Bei Überschreiten dieser "Stabilitätsgrenze" in einem Euro-Mitgliedsstaat sieht der Maastrichter Vertrag die Auferlegung erheblicher Sanktionen vor.
Die Hirnrissigkeit dieses Vertrages ist offensichtlich und greifbar. Je weiter die Rezession fortschreitet, um so geringer wird auch das Bruttosozialprodukt. Damit wird zugleich auch der Absolutwert der Stabilitätsgrenze entsprechend kleiner. Die Regierungen werden also durch den "Stabilitätspakt" daran gehindert, mit Krediten dringend benötigte öffentliche Investitionen zu finanzieren und können nur noch tatenlos zusehen, wie die wirtschaftliche Situation ihres Landes immer trostloser wird. In der Bundesrepublik Deutschland gehen derzeit pro Tag 2.000 (!) Arbeitsplätze verloren (Einlassung des CDU-Generalsekretärs Laurenz Meyer unmittelbar nach den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen). Das bedeutet: Wir haben pro Tag 2.000 Arbeitslose mehr, die nach "Hartz IV" in absehbarer Zeit unter die Armutsgrenze rutschen sollen. Schlimmer kann es kaum noch kommen.
Die Auferlegung von milliardenschweren Sanktionen bei Überschreitung
der "Stabilitätsgrenze" dürfte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten
des betreffenden Landes nur noch vergrößern.
Die finanzpolitische Auslieferung der Euro-Länder an die "Europäische Zentralbank" verhindert jegliche eigenständige Geld- und Zinspolitik. Im Prinzip ist die Zeit für die Einführung des Euro noch längst nicht reif gewesen. Vor der allgemeinen Einführung des Euro in den Mitgliedsländern hätten die Lebensbedingungen - Steuersätze, Rentenhöhe, Gesetze und Vorschriften, Preise bei Post und Bahn usw. - untereinander angeglichen werden müssen. Doch so viel nationale Souveränität aufzugeben war kein einziges Mitgliedsland bereit. Also blieb alles nur Stückwerk. Der einzige Effekt war ein enormer Preisauftrieb im Inland (obwohl er von den regierenden Politikern und deren Sprachrohren bis heute wider besseres Wissen vehement bestritten wird).
Der einzige Weg für die Bundesrepublik Deutschland, eine nationale Geldpolitik zu treiben, wäre das Ausscheren aus der Euro-Gemeinschaft. Dann könnte von der Bundesbank wieder eine antizyklische Geldpolitik betrieben werden. Natürlich würde der Kurs einer wiedereingeführten DM zunächst abrutschen. Doch dadurch würden deutsche Produkte und deutsche Dienstleistungen für das Ausland billiger; der deutsche Export würde infolgedessen steigen und der Anreiz für deutsche Firmen, Arbeitskräfte im Inland abzubauen und stattdessen in anderen Ländern produzieren zu lassen, würde geringer. Die Folge wäre eine Wiederbelebung des Arbeitsmarktes. Und erst dann bestünde eine Aussicht auf Überwindung der Rezession und Belebung der Konjunktur.
Doch dazu müßten die Scharfmacher in den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie die inkompenten Politiker samt ihren "neoliberalen" Beratern, die seit den 70er Jahren unser Land in Grund und Boden wirtschaften, erst allesamt in der Versenkung verschwunden sein.
Wann wird das endlich soweit sein?