Die Musenhöhle

Hundeschicksale

Dalibor


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Dalibor von der Musenhöhle, 21.7.1988

Dalibor war der schwärzeste aus unserem D-Wurf vom 7.6.1987 (Pfingstsonntag). Er hatte einen sehr charaktervollen Kopf; und weil er so wenig Brand hatte, nannten wir ihn gleich den "Schwarzhund". Natürlich konnten wir nicht die Rüden behalten, und so meldete ich ihn bei der Welpenvermittlung an. Er fand er ein neues Zuhause ganz in der Nähe, und zwar in der Manteuffel- Ecke Albrechtstraáe in Berlin-Tempelhof. Die neue Besitzerin, Frau Margot Serfling, hatte ihren Kurzhaarteckel "Afro von Arusha" verloren und wollte unbedingt wieder einen Kurzhaar-Rüden haben. Frau S. war auch Mitglied im Deutschen Teckelklub, und zwar - wie meine Frau und ich - in der Gruppe Berlin III; allerdings hatte ich sie niemals auf einer Mitgliederversammlung gesehen. Die Freundschaft zum neuen Frauchen war schnell hergestellt. Wie üblich, riefen wir am Anfang oft bei Frau S. an, um zu hören, wie es dem Dalibor ginge. Doch eines Tages ging das Telefon nicht. Dauernd war besetzt, auch mitten in der Nacht. Irgendetwas stimmte nicht. Also machte ich mich auf den Weg und klingelte dort. Und was war? Dalibor hatte die Telefonschnur fein säuberlich durchgebissen und hatte dabei einen Kurzschluß verursacht. Die Leitung wurde ausgetauscht, aber Dalibor ließ sich nicht so leicht abschrecken. Ein paar Mal schaffte er es wieder, bis es ihm schließlich langweilig wurde.

Mit der Gesundheit von Frau S. war es nicht zum Besten bestellt. Sie konnte ihren Beruf - sie war Krankengymnastin (heute sagt man meist "Physiotherapeutin") nicht mehr ausüben. Sie zog zunächst im Hause um. Ihre Nachbarsleute - ein jungen Ehepaar - besaß zwei mopsartige Vierbeiner, einer von ihnen hieß "Bocuse". Natürlich war auch dort im Hause die Freundschaft schnell hergestellt; dafür sorgten schon die Hunde. Eines Tages mußte Frau S. sehr schnell ins Krankenhaus; sie rief mich an und fragte, ob ich Dalibor solange in Pflege nehmen würde. Natürlich sagte ich sofort zu, lief zu der Wohnung von Frau S. und holte Dalibor ab. Nun gab es zwar in unserer Mini-Wohnung einige Raum-Probleme, aber die mußten überwunden werden. Und das Problem ergab sich in der ersten Nacht.

Wir hatten in unserem "halben Zimmer" ein sogenanntes Hochbett aufgestellt, das nahezu die gesamte Grundfläche einnahm und so eine Zwischendecke bildete. Man gelangte über eine steile Leiter nach oben und mußte sich dann durch eine Luke zwängen. Oben lag eine dicke Matratze auf den Brettern, und das war nun für mich meine Lagerstatt. Dort schlief ich mit mehreren Hunden, und zwar mit denen, die tagsüber unten im Kämmerchen residierten. Damit nachts die Hunde nicht durch die Öffnung fallen konnte, wurde die Einstiegsluke mit einer Klappe abgedeckt. Da Dalibor das Schlafen im Bett gewohnt war, mußte ich ihn natürlich auch ins Bett nehmen, sodaß ich nun mein Lager mit Dalibor, Ago und Dunja teilen muáte. In den ersten Nachtstunden ging alles gut. Dalibor lag links von mir, Dunja rechts und Ago ebenfalls rechts. Plötzlich begann Ago, zu träumen, knurrte wild, sprang hoch und wollte Dalibor, den er wohl als Konkurrenten ansah, beißen. Er biß auch wirklich zu - nur war es mein rechter Unterarm, den er erwischte. Ich machte Licht; es blutete schlimm. Als Ago bemerkte, wen er gebissen hatte, warf er sich vor Schreck auf den Rücken, während Dalibor sich an das Kopfende des Bettes geflüchtet hatte. Dann kam Ago angekrochen und leckte ganz vorsichtig an meinem Arm, bis die Wunde aufhörte zu bluten. Dann legten sich alle Hunde wieder an ihre alzen Plätze und es war Frieden. Die ca. 6 cm lange Narbe an meinem Unterarm zeugt auch heute noch von Agos Gebiß.

Nach einigen Wochen wurde Frauchen wieder aus dem Krankenhaus entlassen, sodaß Dalibor - oder, wie er oft von Frau S. genannt wurde: "Börchen" - wieder zurück konnte. Jetzt hatte Ago wieder das Sagen.

Margot Serfling mit Dalibor im November 1988

Der Kontakt wurde immer aufrechterhalten. Natürlich mußte Dalibor auch der großen Teckelwelt vorgestellt werden. Am 2.10.1988 fuhren wir zur Zuchtschau der Gruppe Berlin VIII, und am 25.6.1989 ging es zur Landessieger-Zuchtschau nach Berlin-Wannsee. Dalibor bekam zwar nur die Bewertung Sehr gut, aber bei der Messung des Brustumfanges stellte der Richter 35 cm fest; Dalibor wurde damit als Zwergteckel eingestuft.

Nach einiger Zeit mußte Frau S. wieder plötzlich in das Krankenhaus. Sie kam nicht mehr dazu, uns zu informieren, denn wir hätten Dalibor natürlich sofort wieder in Pflege genommen. Dalibor war jetzt bei den Nachbarn. Ich bor an, ihn wieder zu nehmen, doch die Nachbarn wollten den Hund nicht herausgeben. Sie sagten, Frau S. hätte verfügt, daß der Hund eingeschläfert werden solle, wenn ihr etwas passierte. Ich war entsetzt und empört und konnte mir nicht vorstellen, daß so eine Verfügung tatsächlich existieren sollte. Ich erwog schon, wegen dieser angeblichen Verfügung das zuständige Gericht zwecks Erlasses einer einstweiligen Verfügung anzurufen. Nach ein paar Tagen war Frau S. jedoch wieder ansprechbar und teilte den Nachbarn mit, daß sie den Hund mir geben sollen. Die bewußte Verfügung existierte zwar, bezog sich jedoch nicht auf Dalibor, sondern auf seinen Vorgänger Afro von Arusha. Nach mehr als einem Monat konnte Frau S. das Krankenhaus wieder verlassen. Ich brachte ihr den Hund wieder und die bewußte Verfügung wurde vernichtet.

Frau S. zog dann um nach Berlin-Marienfelde in eine Erdgeschoßwohnung in der Hildburghauser Straße. So brauchte sie keine Treppen mehr zu steigen. Kontakt hielten wir immer.

Ende Mai 1997 bekamen wir einen Anruf aus Berlin. Es meldete sich eine Nachbarin von Frau S., Frau W., die uns mitteilte, daß sich der Zustand von Frau S. sehr verschlechtert habe und sie sofort in das Krankenhaus müsse. Sie fragte mich, ob ich Dalibor nehmen würde, was ich natürlich sofort bejahte. Ich ließ mir beschreiben, wo ich die Wohnung von Frau S finden könne, setzte mich in mein Auto und fuhr los nach Berlin. Als ich ankam, öffnete mir die Nachbarin, die auf den Krankenwagen wartete, und ließ mich ein. Frau S. saß oder lag vielmehr auf einem Sessel unter einer dicken Decke. Sie sah sehr eingefallen aus. Sie sprach langsam ein paar Worte und dankte mir dafür, daß ich sofort gekommen war. Ich nahm Dalibor auf den Arm, und verabschiedete mich. Frau S. hob langsam den Arm und winkte uns noch einmal zu. Dann ging ich. Ich hatte ein sehr ungutes Gefühl. Unterwegs begegnete ich dem Krankenwagen. Dalibor sah sich mehrmals um und wollte nicht mitkommen. Ich nahm ihn dann hoch und hob ihn ins Auto.

Nun ergab sich natürlich ein Problem hinsichtlich der Unterbringung. Im Mittelraum hatten wir schon vier Hunde, nämlich Fafner, Benny, Guntram und Jason. Da ging es also nicht. Im kleinen Vorderzimmer wohnten Ernani und Aida. Da war zu befürchten, daß Ernani und Dalibor Aidas wegen aufeinander losgehen könnten. Also blieb nur die Möglichkeit, ihn im Kämmerchen bei seinem Vater Szu, seinem Halbbruder Hüon und seinem Großneffen Igor unterzubringen. Nach anfänglichem Geknurre klappte es auch: alle vier Hunde legten sich friedlich neben- und übereinander in den Korb.

Am nächsten Tag, dem 1.6.1997, fuhr ich nach Bötzow zur Zuchtschau. Als ich am Nachmittag zurückkam, sagte mir meine Frau, daß Frau W. angerufen und ihr mitgeteilt habe, daß Frau S. im Krankenhaus verstorben sei.

Im Sommer 1999 begann Dalibor, morgens weniger zu fressen. Manchmal wollte er überhaupt nichts zum Frühstück. Mittags war der Appetit jedoch regelmäßig da. Nach ein paar Wochen gab sich das wieder. Er sah jetzt sehr gut aus, schlank und elegant. Wenn morgens die Tür zum Kämmerchen aufgemacht wurde, die das Heim von Dalibor und Hüon war, dann stürmte er immer als erster in den Vorgarten, während Hüon meist langsam folgte. Und Hüon war auch meistens derjenige, der als erster wieder zurück wollte und in die Kammer flitzte, während Dalibor erst einmal den Mittelraum in unserem alten Bauernhaus inspizierte und in allen Ecken intensiv schnüffelte.

Anfang September 1999 gab es eine Begegnung. Eine befreundete Familie in Berlin-Tegel, die vor vielen Jahren unsere Rüden Belsazar und Dapertutto gekauft hatten, hatte sich darauf eingelassen, von einem Handwerksbetrieb alle Wasser- und Abflußrohre (und noch viel mehr) in ihrem Haus erneuern zu lassen. Doch wo sollten die Hunde während der Bauarbeiten bleiben? Ich sagte natürlich ohne Zögern zu, beide Hunde für die kritische Zeit in Pflege zu nehmen. Als Belsazar und Dapertutto gebracht wurden, wurde erst einmal in unserer "Wohnbaracke" ausgiebig getafelt. Dann holte ich einen nach dem anderen von unseren Hunden, um sie dem zwei- und vierbeinigen Besuch zu zeigen. Als ich Dalibor brachte, wurde er erst von seinem Bruder Dapertutto völlig entgeistert angestarrt. Dann begann Dapertutto, zu zittern, wurde wütend und bellte Dalibor aggressiv an. Auch bei Dalibor sträubte sich das Fell; er wollte auf seinen Bruder losgehen. Ich mußte ihn festhalten, sonst hätte es eine Beißerei gegeben. Schade, es wäre so schön gewesen, die beiden Besuchs-Hunde in einer unserer Rüden-Gruppen unterzubringen. So wohnten sie dann im Nebenhaus in dem großen Ladenraum.

Am 19.9.1999 brachte ich Belsazar und Dapertutto wieder nach Berlin. Dalibor verweigerte seit ein paar Tagen das Frühstück. Nur seine halbe Lanitop-Tablette - gut in Kalbsleberwurst verpackt - nahm er. Mittags dagegen hatte er Appetit; man mußte immer aufpassen, daß Hüon und Dalibor sich nicht gegenseitig ihre Mahlzeiten wegschnappten.

Auch am 22.9.1999 wollte er am Morgen nichts zu sich nehmen. Mit Not und Mühe trichterte ich ihm ein Kügelchen Kalbsleberwurst ein, in dem eine halbe Lanitop-Tablette versteckt war. Er ging auch in den Vorgarten, setzte sich aber dann hin und fing an, zu würgen. Mir fiel auf, daß er ziemlich schnell atmete. Dann mußte ich nach Lübben fahren, um für die Hunde Frischfleisch einzukaufen. Als ich nach der Rückkunft nach ihm sah, lag er - zusammen mit Hüon - in seinem Körbchen. Der Atem war immer noch sehr schnell und kurz. Als er am Mittag nichts fressen wollte, wurde ich sehr besorgt. Ich rief unserer Tierärzte um 15.00 an und schilderte die Symptome. Ich konnte sofort kommen. Beim Hochnehmen merkte ich, daß er erhebliche Untertemperatur hatte. Die Atemgeräusche waren lauter geworden. Der Tierarzt, der ihn wegen seines guten Aussehens bewunderte - er hatte kaum graue Haare, hatte noch einen schönen tiefroten Brand und hatte noch sämtliche Zähne - horchte ihn ab und meinte, das höre sich nach einer Lungenentzündung an. Die Temperaturmessung ergab gerade einmal 33 Grad. Das sprach wiederum gegen eine Lungenentzündung. Es mußte also ein kreislaufbedingter Lungenstau sein. Nach zwei Injektionen bekam er noch eine Portion Nährflüssigkeit unter die Haut, damit ihm Energie zugeführt würde. Auf jeden Fall solle ich den Hund warmhalten.

Wieder zu Hause angekommen legte ich ihn in ein sein Körbchen, deckte ihn mit einer Wolldecke zu und holte unsere Rotlicht-Lampe aus dem Deck- und Wurfzimmer. Als ich wieder zurückkam, lag er 4 m entfernt auf einem dicken Lammfell-Läufer und atmete schwer. Ich legte ihn wieder in das Körbchen und befestigte die Rotlichtlampe so, daß sein ganzer Körper erwärmt wurde. Nach einer halben Stunde war die Körpertemperatur wieder einigermaßen normal. Er hob seinen Kopf und sah mich mit einem langen traurigen Blick an. Dann legte er sich auf den Rücken, so wie die Rüden gern schlafen. Plötzlich bellte er einige Male. Ich sah, daß seine Zunge halb aus dem Fang hing und sehr blaß war. Ich legte ihn wieder auf die Seite. Er atmete sehr schnell. Plötzlich setzte die Atmung aus und die Blase entleerte sich. Danach kamen noch mehrmals Würge-Reflexe. Schließlich kam eine große Menge weißer Schaum aus Fang und Nase. Es war der 22.9.1999, 17.30 Uhr. Dalibor war 12 Jahre und 3 Monate alt geworden. Er hatte sein Frauchen um etwas mehr als zwei Jahre überlebt.

Ich begrub ihn auf unserem Hundefriedhof rechts neben seinem Vater Szu z Taczanowa und pflanzte - wie bei allen Gräbern - eine säulenförmige Konifere darüber. Jetzt haben dort (von rechts nach links) folgende Hunde ihre letzte Ruhestätte gefunden: Dalibor von der Musenhöhle, sein Vater Szu z Taczanowa, dann Szus Vater - also Dalibors Großvater - Robby von der Warthebrücke, dann die Welpen Jolanthe und Jago von der Musenhöhle sowie die vier Welpen aus dem Katastrophenwurf vom 27.9.1999, dann Dalibors Mutter Amneris von der Musenhöhle (Landessiegerin 1985), seine Halbschwester Brangäne von der Musenhöhle (Klubsiegerin 1988), Dalibors Schwester Despina von der Musenhöhle, dann der rote Findelhund Benny, daneben Igor von der Musenhöhle und zum Schluß Dalibors Tante Aida von der Musenhöhle (29.2./1.3.1984 bis 1.3.1999), die es auf das stolze Alter von genau 15 Jahren gebracht hatte.

 


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