Die Musenhöhle

Hundeschicksale

Hüon von der Musenhöhle


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Dieses Kapitel ist wohl eines der traurigsten meiner Dokumentation und zugleich eines der blamabelsten für einen Rassehundzuchtverein, in dessen Satzung einst zu lesen war, daß es sein Ziel sei, die Rasse des Teckels zu erhalten und nach Möglichkeit zu verbessern.

Hüon und Halka entstammten einer Verpaarung unseres schwarzrozen Rüden Szu z Taczanowa mit unserer Tigerteckelhündin Freia von der Musenhöhle. Wurftag war der 4.7.1994. Bei Hüon war die Tigerung schön gleichmäßig über den ganzen Körper verteilt, während bei Halka nur ein kleiner weißer Fleck auf der rechten Seite sowie ein weißes Haar auf dem Kopf vorhanden war.

Halka von der Musenhöhle

Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, muß bei einer solchen Verpaarung der schwarzrote Partner unbedingt selber Tigerteckel unter seinen Vorfahren haben, wenn man Tiger-Nachwuchs haben will. Das war bei Szu der Fall, denn er entstammte einer Verbindung unseres schwarzroten Rüden Robby von der Warthebrücke mit der polnischen Tigerteckelhündin Neatly Canis Venator.

Neatly Canis Venator, Foto vom Januar 1985

Züchterisch war das eine hervorragende Konstellation, denn die Tiger-Vorfahren bei beiden Partnern entstammten völlig verschiedenen Blutlinien. Wenn die Tigerung bzw. die Veranlagung bei beiden Partnern aus derselben Blutlinie kommt, besteht immerhin die Möglichkeit des Auftretens von Defekten.

Ein Charakteristikum der Tigerteckel ist der Umstand, daß sich die Zeichnung des Haarkleides praktisch in der Pigmentierung der Netzhaut widerspiegelt. Die Netzhaut hat hellere Flecken. Das ist üblich. Es gibt jedoch Ideologen, die diese unvollständige Pigmentierung als "Veranlagung für erblich bedingte Augenkrankheiten" ansehen und die gesamte Tigerteckelzucht verbieten wollen.


Die ersten Tage mit Hüon und Halka waren dramatisch. Beide Welpen versuchten zu saugen, verloren aber an Gewicht. Mutter Freia von der Musenhöhle hatte genug Milch; daran lag es also nicht. Die Welpen wurden schwächer. Ich entschloß mich daher am dritten Tag, es mit Flaschenfütterung zu versuchen.

Als ich alles eingerührt hatte und die Welpenmilch die richtige Temperatur hatte, sah ich beim Ansetzen der Saugflasche zu meiner Überraschung, daß die beiden Welpen die Zunge falsch hielten. Die Zunge befand sich über der Saugspitze und drückte gegen den Gaumen. Da konnte natürlich keine Milch herkommen.

Ich begann also, mit den Welpen zu üben. Es war erst sehr schwierig, die Saugspitze zwischen Zunge und Gaumen zu zwängen, aber dann hatte ich es doch geschafft. Durch den Druck der Zunge auf die Saugspitze kam auch die Milch und beide Welpen tranken gierig, bis sie kugelrunde Bäuche hatten. Nach zwei Stunden wiederholte ich die Übung. Nach dem dritten Mal hatten es die Welpen begriffen, daß sie die Zunge unter die Saugspitze bzw. unter die Zitze zu legen hatten. Ich setzte beide Welpen wieder bei Freia an - und von nun an ging es steil aufwärts. Die Krise war überwunden. Flaschenfütterung war nun nicht mehr nötig.

Das Aufwachsen der beiden Welpen erfolgte problemlos. Der erst viel schmächtigere Hüon überholte seine Wurfschwester Halka sowohl hinsichtlich des Gewichtes als auch des Brustumfanges. Nach der Impfung und der Wurfabnahme kamen Freia, Hüon und Halka in unsere große Wohnküche, in der sich alle Hündinnen außer Amneris befanden. Als Hüon dann erwachsen wurde und läufigen Hündinnen gefährlich werden konnte, kam er in eine der Rüden-Gruppen.

Hüon hatte ein sehr liebes Wesen. Auch gegenüber seinen Artgenossen war er immer lieb und freundlich. Allerdings wurde diese Haltung nicht immer honoriert. Benny ging einige Male ohne einen erkennbaren Grund auf Hüon los, sodaß wir die beiden Hunde trennen mußten. Von da ab wohnte Hüon in unserem Vorderzimmer bei Ernani und Aida. Dort fühlte er sich besonders wohl. Er war sehr anhänglich; nachts legte er sich gern auf eines unserer Ohren und blies seinen Atem in unsere Ohrmuscheln.

 

Als Hüon erwachsen war, mußte die vorgeschriebene Augenuntersuchung durchgeführt werden. Hüon hatte zwar sehr dunkle Augen, aber die Farbe der Iris sagt noch nichts über den Augenhintergrund aus.

Am 14.6.1997 ergab eine durch die Augenspezialistin Frau Dr. Ingrid Allgöwer - einem sehr bekannten Mitglied des "Dortmunder Kreises für Augendiagnostik" - durchgeführte Untersuchung, daß bei Hüon die Pigmentierung der Netzhaut vollständig und ohne Flecken war. Frau Dr. Allgöwer war äußerst überrascht und sagte, daß sie noch nie eine so gute Pigmentierung gesehen habe. Und das bei einem Tigerteckel!

Hüon war also ein ganz besonderes Exemplar und wahrscheinlich der erste bekannte Tigerteckel, bei dem die genetisch bedingte Verknüpfung zwischen Fellzeichnung und Netzhautpigmentierung nicht vorhanden war. Da sich die fleckige Netzhautpigmentierung zusammen mit der Fellzeichnung dominant vererbt und sich diese Erbanlage also unbedingt zeigt, wenn sie vorhanden ist, bedeutete dies, daß diese Erbanlage bei Hüon "herausgefallen" und damit nicht mehr vorhanden war. Für die Tigerteckel-Zucht war Hüon damit von unschätzbarem Wert.

Es galt nun, eine geeignete Partnerin für Hüon zu finden, um von ihm Nachwuchs zu bekommen. Wir überlegten uns, daß eine Verpaarung mit unserer Hündin Jokaste von der Musenhöhle aussichtsvoll wäre. Doch da gab es eine bürokratische Schwierigkeit. Hüon war zwar ein geborener Kaninchenteckel, war aber etwas über das Maß hinausgewachsen. Der Zuchtrichter Herr Peter Michelet hatte auf der Zuchtschau der Gruppe Königs Wusterhausen am 22.10.1995 einen Brustumfang von 34 cm gemessen, was sehr "großzügig" war. Jokaste hatte einen Brustumfang von 28 cm, gemessen auf der Zuchtschau der Gruppe Potsdam am 12.7.1997 von dem Ausstellungsrichter Herrn Dr. Horst Kowe. Also war eine Genehmigung des Bundeszuchtwartes für die Verpaarung Hüons mit Jokaste erforderlich. Und dieser verweigerte die Genehmigung ohne Angabe von Gründen.

Durch diese grundlose Verweigerung einer Verpaarungsgenehmigung zwischen meinem (sehr kleinen) Zwergteckel-Rüden Hüon von der Musenhöhle mit meiner schwarzroten Kaninchenteckel-Hündin Jokaste von der Musenhöhle durch den Bundeszuchtwart ist eine äußerst vielversprechende Tigerteckel-Line erloschen.

Der entsprechende Bescheid ist hier im Wortlaut zu lesen:

 

Wie man sieht, hatte der derzeitige Bundeszuchtwart des Deutschen Teckelklubs 1888 e.V. eine die Teckelzucht betreffende Entscheidung von einer anderen Entscheidung, die nichts mit der Zucht zu tun hat, abhängig gemacht.

Doch - wohlgemerkt - in dem genannten Ehrengerichtsverfahren vor dem Disziplinarausschuß des DTK war ich der Beschwerdeführer - also der Ankläger - und nicht etwa der Beschuldigte. Meiner Beschwerde gegen den Landesverband wurde stattgegeben; eine Gegenbeschwerde des Landesverbandes beim Ehrengericht des DTK, eine Klage des Landesverbandes beim Amtsgericht Charlottenburg und eine Berufungsklage des Landesverbandes beim Landgericht Berlin waren erfolglos. Die nicht unerheblichen Verfahrenskosten in allen Instanzen mußte der unterlegene Landesverband tragen.

Doch zurück zum Schreiben des ehemaligen Bundeszuchtwarts. Die Formulierung "Sie können durchaus eine gleichrassige Partnerwahl treffen" heißt im Klartext, daß der Bundeszuchtwart der von mir beantragten Verpaarung Zwergrüde/Kaninchenteckelhündin nicht zustimmt, obwohl der Rüde typmäßig (Kopfgröße, Körperbau) eher ein Kaninchenteckel als ein Zwergteckel war. Mit derselben "Begründung" könnte der Bundeszuchtwart jeden Antrag auf Erteilung einer Verpaarungsgenehmigung ablehnen. Ein Blick in die Stammbücher des Deutschen Teckelklubs zeigt jedoch, daß bei den Kurzhaar-Kaninchenteckeln kaum noch eine Zuchtbasis vorhanden ist. Um diese Rasse nicht aussterben zu lassen, sind bei Kurzhaar Verpaarungen Zwergteckel-Kaninchenteckel unumgänglich.

Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß der ehemalige Bundeszuchtwart Wördemann weder Photos der beiden Hunde noch jemals diese beiden Hunde im Original gesehen hat.


Eine fremde schwarzrote Hündin mit Tigerteckel-Vorfahren hinzuzukaufen, wäre ein zweifaches Risiko gewesen. Einseits weiß man vorher nicht, ob die Tiger-Veranlagung tatsächlich vorhanden ist, und andererseits weiß man nicht, ob und wie eine neue Hündin von der Meute der anderen aufgenommen werden würde. Außerdem hätte das nicht meiner Zucht-Philisophie entsprochen. Mit Ausnahme der Hündin Dunja von der Angelmodde, die ich der Frau eines Alkoholikers abgekauft hatte, habe ich immer nur mit eigenen Hündinnen gezüchtet. Auf dieser Weise sind durchgehende Linien derer "von der Musenhöhle" entstanden. Fremdzucht - also eine zugekaufte Hündin auch noch mit einem fremden Rüden zu verpaaren - habe ich niemals gemacht.

 

Mit Jokaste durfte ich nach des Bundeszuchtwartes Willen unseren Hüon nicht verpaaren. Hätte ich es dennoch gemacht, wären drakonische Strafen wie Zuchtverbot oder ehrengerichtliche Maßnahmen auf mich zugekommen.

Die nächste Hündin, die in Frage kam, war Isolde von der Musenhöhle. Doch da hatte ich von vornherein Bedenken wegen der engen Verwandtschaft. Hüon stammte von der Tigerteckelhündin Freia von der Musenhöhle ab, und Isolde stammte von Freias Wurfbruder Fafner von der Musenhöhle ab. Im Typ - also in der Körperform und in der Physiognomie - hatten beide Hunde sehr viel Ähnlichkeit. Das Erbe ihres gemeinsamen Großvaters Gustl vom Heidegrund war beiden anzusehen. Das gefiel mir überhaupt nicht. Aber mir blieb zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl, wenn ich Tigerteckel-Nachwuchs haben wollte.

Hüon wußte sofort, was er zu tun hatte, und beide Hunde konnten nicht genug voneinander haben. Eine Hilfestellung beim Decken brauchte nicht geleistet werden. Nach vier Wochen rundete Isolde sich und wurde täglich schwerer. Als dann die Zeit heran war und der Tag kam, als sie nichts mehr fressen wollte, wartete ich vergeblich auf die ersten Anzeichen. Zwölf Stunden nach der Nahrungsverweigerung fuhr ich mit ihr zu unseren Tierärzten. Der Muttermund war schon weit geöffnet, aber es kamen keine Wehen. Auch die Injizierung eines wehenfördernden Medikamentes brachte keine Änderung. Es gab nur eine Möglichkeit: sofortiger Kaiserschnitt.

Ich blieb dabei, um mich um die Welpen zu kümmern. Die Ärzte gaben der Hündin relativ wenig Narkosemittel, um die Welpen nicht zu gefährden. Nach Öffnung der Bauchdecke und der Gebärmutter kamen vier Welpen ans Tageslicht, zwei Rüden und zwei Hündinnen. Die Geburtsgewichte waren gut, jeder der vier Welpen hatte knapp 200 Gramm. Einer der beiden Rüden war ein Tigerteckel, die anderen drei Welpen waren alle schwarzrot. Bei allen vier Welpen waren deutlich Herztöne zu hören. Doch bei keinem der vier Welpen setzte die Atmung ein, trotz der Anwendung von Respirot und trotz kräftiger Massage. Die Herztöne wurden langsamer und immer schwächer - und dann war alles aus. Der  ductus botalli  hatte sich nicht geschlossen; die Welpen starben an Sauerstoffmangel.

Die drei schwarzroten Welpen bestatteten wir in einem Sammelgrab, in dem sich schon andere Welpen befinden. Den kleinen Tigerteckel ließen wir zum Andenken präparieren.

 

Hüons und Isoldes Tiger-Sohn
Wurftag: 27.9.1999

Unsere Zucht hatte einen Rückschlag erlitten; eine große Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Wir mußten jetzt warten, bis eine von unseren Jung-Hündinnen herangewachsen war, um eine geeignete Partnerin für Hüon zu haben.


Hüon war niemals in seinem Leben krank. Ich erinnere mich noch an einen ausgedehnten Dackelspaziergang im Spätsommer 2000 über den Nordpolder zwischen Wußwerk und dem Nordfließ. Während die anderen Hunde - Otti, Tine und Ernani - nur noch schlichen und ich Ernani auf den Arm genommen hatte, war Hüon noch immer frisch und munter und hätte am liebsten den langen Spaziergang gleich wiederholt.

Am 1.2.2001 kam uns Hüon verändert vor. Er war unruhig, sprang auf den Sessel zu uns hoch, sprang dann jedoch gleich wieder hinunter, sprang wieder zu uns hoch und wieder hinunter, bis er ganz außer Atem war. Irgendetwas stimmte nicht. Doch dann beruhigte er sich wieder.

In der Nacht verschlimmerte sich die Unruhe. Ich rief den Tierklinik-Notdienst an und fuhr sofort mit Hüon los. Bei einer schnellen Untersuchung wurden sehr erhebliche Kreislaufprobleme festgestellt. Ich wurde gefragt, ob der Hund an ein pflanzliches Gift herangekommen sein könnte. In unserem Vorgarten wachsen zwar Maiglöckchen, Thujas und Liguster, aber wir hatten noch niemals gesehen, daß die Hunde darauf herumkauten. Dagegen konnte ich nicht ausschließen, daß jemand gezielt etwas Schädliches über den Vorgartenzaun geworfen haben könnte. Ich mußte Hüon in der Tierklinik zurücklassen und hoffte, daß es den Ärzten gelingen würde, den Kreislauf zu stabilisieren.

Am nächsten Morgen rief ich in der Klinik an. Meine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Hüon hatte auf kein Medikament angesprochen und war in den frühen Morgenstunden gestorben.

 

Foto vom 2.2.2001

Hüon ist nur 6 Jahre alt geworden. Ein Traum war vorbei und eine Chance für die Teckelzucht war durch eine Fehlentscheidung des Bundeszuchtwartes Wördemann vertan worden. Tief getroffen begruben wir Hüon neben seiner Tante Sonia z Taczanowa, der Schwester seines Vaters Szu z Taczanowa


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