Zuchtprinzipien (2): "Körzucht" u. a.


In diesem Kapitel werden Tatsachen geschildert und Meinungen vertreten. Die Tatsachen sind belegbar. Bei den Meinungen handelt es sich um meine Ansichten als langjähriger Züchter, dem das Weiterbestehen des Deutschen Teckelklubs und der Erhalt der Teckelzucht am Herzen liegt, und nicht um offizielle Standpunkte des Deutschen Teckelklubs oder einer seiner Gliederungen.



Ernst Kamphausen
hatte mehrmals vor der Illusion gewarnt, die Verpaarung einer Weltsiegerin mit einem Weltsieger würde automatisch zu neuen Weltsiegern führen. Er wies darauf hin, daß aus solchen Verbindungen oft nur durchschnittliche Hunde entstehen. Umgekehrt entstehen oft hervorragende  Hunde aus Verbindungen von "mittelmäßigen" mit "vorzüglichen" Hunden oder sogar aus Verbindungen von nur "mittelmäßigen" Hunden, die "nur" den Formwert "SEHR GUT" errungen hatten - wenn unter den Vorfahren dieser "mittelmäßigen" solche waren, die den Formwert "VORZÜGLICH" oder gar Sieger- oder Champions-Titel errungen hatten. Ernst Kamphausen hatte mehrmals im DACHSHUND geschrieben: "Es kommt nicht darauf an, wie ein Hund aussieht. Es kommt darauf an, was er vererbt!"  Leider sind diese Erkenntnisse heute weitestgehend in Vergessenheit geraten.

Ein anderer Aberglaube betrifft die sogenannte "Gebrauchszucht" oder "Jagdgebrauchszucht". Diese "Jagdgebrauchszüchter" vertreten die Meinung, daß bei einer Verpaarung zu Zuchtzwecken unbedingt beide Elternteile Gebrauchsprüfungen bestanden haben müssen, um Nachwuchs mit jagdlichen Anlagen hervorzubringen. Andere Teckel, die nicht auf Prüfungen geführt worden sind, kommen für die Zucht nicht in Frage.

Hunde sind nun einmal Nachfahren der Wölfe, und Wölfe sind Jäger, und zwar viel, viel bessere als die zweibeinigen, die früher Pfeil und Bogen und heute Präzisionsgewehre benötigen, um Beute zu schlagen. Besonders bei den ausgesprochenen Jagdhundrassen, zu denen auch und gerade der Deutsche Teckel gehört, ist dieser Jagdtrieb angeboren. Nahezu jeder Welpe fängt an, in einem gewissen Alter Gegenstände aller Art zu packen und zu beuteln. Wenn man das beobachtet und eine Fährte mit Hammelblut oder Wildschweiß von der Küche in den Garten legt, wird man in nahezu allen Fällen feststellen, daß der Welpe dieser Fährte folgt. Es gibt kaum Welpen, die nicht einer interessant duftenden Fährte folgen.

Daß dieser Trieb angeboren ist, hat mir einmal der Kurzhaarteckel-Züchter F. G. Schmidthusen (Zwinger "vom Ottersitz") - selbst ein passionierter Jäger - bestätigt. Er hatte eine Hündin im Welpenalter an eine ältere Dame in Bad Salzuflen verkauft, die mit der Hündin nichts anders machte, als mit ihr gelegentlich im Park spazieren zu gehen. Herr Schmidthusen hatte mit der Käuferin vereinbart, daß er im Krankheits- oder Todesfalle die Hündin zurückbekäme. Als die Situation da war, machte der Züchter einen Versuch: er legte eine Schweißfährte und ließ die Hündin, die so etwas niemals vorher gemacht hatte, suchen. Und die alte Hündin meisterte diese Aufgabe mit Bravour!

Man liest immer wieder, daß Käufer - im allgemeinen Jäger, die selber nicht züchten - Hunde "nur aus Jagdgebrauchszucht" haben wollen. Und es gibt einige Züchter, die sich selber als "Jagdgebrauchszüchter" bezeichnen und auf alle anderen Züchter als "Schönheitszüchter" verächtlich herabsehen. Sie führen ihre Zuchthunde von Prüfung zu Prüfung und bekommen Tobsuchtsanfälle oder Magengeschwüre, wenn ihr Hund nicht 100 Punkte erreicht.

Die erreichten 100 Punkte sind ein Ergebnis des vorherigen Trainings - genau wie beim Sport. Aber dabei wird übersehen, daß sich erworbene und antrainierte Eigenschaften nicht vererben und auch garnicht vererben können. Die genannte Hündin "vom Ottersitz", die niemals geübt hatte, hätte genausogut Gebrauchshund-Nachwuchs in die Welt setzen können, wie eine Gebrauchssiegerin.

 

Wenn einige "Jagdgebrauchszüchter" solche Ansichten vertreten, dann ist es deren Privatsache. Doch nun wird es kritisch. Diese Privat- Ansicht soll ab 1.1.2003 verbindliche Richtlinie im Deutschen Teckelklub werden. Es gibt Kreise in der Führungsriege des Deutschen Teckelklubs, die auf Biegen und Brechen eine sogenannte "Körzucht" einführen wollen. Eine besondere "Körordnung" soll der Zuchtförderung der im Zuchtbuch (früher Stammbuch) eingetragenen Teckelrassen - gemeint sind die drei Haararten in allen drei Größenvarietäten - dienen. Zweck der "Körordnung" soll eine Auslese unter den Zuchttieren, die durch ihr Wesen, ihre Leistung und ihren anatomischen Aufbau im besonderen Maße zur Erhaltung und Förderung der Teckelrassen geeignet scheinen. Zur Körung sollen nur im DTK-Zuchtbuch (Hauptbuch) eingetragene Teckel im Alter von 15 bis 30 Monaten zugelassen werden. Weitere Voraussetzungen sollen Schußfestigkeit oder bestandene Begleithundeprüfung I und II, nachgewiesener Spurlaut oder nachgewiesener Spurlaut bei beiden Eltern sowie eine Augenuntersuchung mit negativem Befund durch einen DOK-Untersucher (DOK = "Dortmunder Kreis - Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V.") sein. Das auf einer "Körschau" gefällte "Körurteil" lautet "gekört", "vorläufig gekört" oder "nicht gekört". Eine Wiederholung der "Ankörung" soll nicht möglich sein.

Der im DACHSHUND Heft 3/2002 ab Seite 43 veröffentlichte Entwurf birgt erhebliche Sprengkraft in sich:

1.)  Zunächst werden damit die errungenen Prädikate und Siegertitel wie Landessieger, Bundessieger, Europasieger, Weltsieger, Klubsieger, Internationaler Schönheitschampion, Sieger XYZ usw. entwertet. Es entsteht eine neue Klasse von Hunden "aus Körzucht". Bereits jetzt konzentriert sich das Zuchtgeschehen auf Deckrüden, die einen oder mehrere der genannten Siegertitel errungen haben. Bei Einführung der "Körzucht" würde - bedingt durch die in der "Körordnung" definierten Einschränkungen - der Kreis der allseits gefragten Deckrüden noch weiter schrumpfen. Die Folge wäre, daß die Teckelpopulation - besonders bei Kurzhaar-Teckeln - in Zukunft noch enger verwandt würde. Da es keine Garantie gibt, daß diese wenigen "gekörten" Wunderhunde nicht auch nachteilige Eigenschaften - wie z. B. vorzeitiges Altern und/oder Anfälligkeit für Krankheiten - vererben, kann durch diese Konzentration auf wenige Deckrüden die gesamte Teckelzucht Schaden erleiden.

2.)  Der Entwurf dieser "Körordnung" ist geeignet, den Vereinsfrieden im DTK zu stören, und zwar insbesondere das bisher gute Verhältnis zwischen Jägern und Nichtjägern. Es ist die große Stärke des DTK, daß er Jäger und Nichtjäger vereint und kollegial zum Wohle der Teckelzucht zusammenarbeiten läßt. Die "Körordnung" jedoch privilegiert die Jäger und brüskiert die Nichtjäger in einer von diesen nicht hinnehmbaren Weise.

Es hatte in der Vergangenheit Jahrzehnte gedauert, bis sich die vor hundert Jahren existierenden konkurrierenden Teckelzucht-Verbände in einem Verein - dem heutigen DTK - zusammengeschlossen hatten. Die Sonderstellung der süddeutschen Vereine erinnert noch heute an diese Zeit. Bei Annahme der "Körordnung" besteht die Gefahr der Abwanderung von Nichtjäger-Züchtern zu anderen Vereinen bzw. die Gefahr der Spaltung des DTK.

3.)  Gegen den "Dortmunder Kreis - Gesellschaft für Diagnostik genetisch bedingter Augenerkrankungen bei Tieren e.V." gibt es sowohl seitens der Tierärzteschaft als auch seitens vieler Tierhalter sehr große Vorbehalte. Es gibt eine Reihe von Tierärzten, die sich strikt weigern, dem DOK beizutreten, und es gibt viele Tierärzte, die es nicht wagen, in umstrittenen Fällen, an denen DOK-Untersucher beteiligt waren, ihre eigene - abweichende - Diagnose schriftlich zu bestätigen. Es wird unter der Hand bereits von der "Dortmund-Gießener Mafia" gesprochen.

Bei einer Fehldiagnose durch eine übereifrige DOK-Untersucherin, der es nur auf "Erfolgsmeldungen" ankommt, ist dann der arme Hund für sein ganzes Leben als "zuchtuntauglich" gebrandmarkt; die Besitzer pilgern von Tierarzt zu Tierarzt, um die Fehldiagnose aus der Welt zu schaffen, jeder unabhängige Tierarzt sagt, der Augenschädigung liegt eine Verletzung im frühesten Welpenalter zugrunde, aber keiner will diese Diagnose attestieren.

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt: Der "Dortmunder Kreis" ist ein privater Verein. Er ist weder eine Behörde - wie die staatlichen Veterinärämter - noch arbeitet dieser Verein im Auftrage des Staates - wie etwa die Vereine TÜV und DEKRA - . Es ist nicht nachvollziehbar, daß der DTK einem privaten Verein, der eindeutig auf kommerzielle Interessen seiner Mitglieder ausgerichtet ist, eine Monopolstellung einräumen will. Bei der Auto-Untersuchung kann man zwischen TÜV und DEKRA wählen. Eine vergleichbare Wahlmöglichkeit soll den DTK-Mitgliedern verwehrt werden.

Für die Züchter, die laut "Körordnung" gezwungen wären, ihre Hunde nur noch von DOK-Untersuchern begutachten zu lassen, würde die neue "Körordnung" eine erhebliche finanzielle Belastung mit sich bringen, da für Untersuchungen durch DOK-Tierärzte wesentlich mehr Honorar gezahlt werden muß als für Untersuchungen durch Nicht-DOK-Tierärzte.

4.)  In der "Körordnung" ist ein Zuchtverbot für beide Eltern eines an PRA erkrankten Teckels vorgesehen. Es ist richtig, daß beim rezessiven Erbgang beide Eltern Träger der Erbanlage sein müssen, damit sich diese zeigt. Doch einerseits erkranken nicht sämtliche Nachkommen solcher Eltern an dieser Erbkrankheit; sondern maximal ein Welpe, wenn man die veröffentlichten Zuchtuntauglichkeitserklärungen verfolgt. Es sind also noch andere Faktoren im Spiel. Und andererseits müßte man konsequenterweise auch die Eltern der Eltern sowie deren Nachkommen, die Großeltern der Eltern und deren Nachkommen, die Urgroßeltern der Eltern und deren Nachkommen u.s.w. prophylaktisch von der Zucht ausschließen. Wenn man um die komplizierten und manchmal sehr überraschenden Verwandtschaftsverhältnisse unserer Teckel weiß, würde das mit einem Schlag das Ende der Teckelzucht im DTK bedeuten.

Andererseits steht in keinem Falle fest, ob die Geschwister eines an PRA erkrankten Teckels die Disposition zur PRA geerbt haben. Es sei daran erinnert, daß bei der Vereinigung einer Eizelle mit einer Samenzelle zwangsläufig die Hälfte aller mitgebrachten Erbanlagen verloren gehen muß. Es sei dabei an die gelegentlich auftretenden (reinerbigen) Kurzhaar-Rückschläge in Rauhhaarteckel-Zuchten erinnert. Genau wie hier die Erbanlagen für die Rauhhaarigkeit herausgefallen sind, können die Erbanlagen für genetisch bedingte Krankheiten herausfällen.

Für das in der "Körordnung" vorgesehene Vorhaben gibt es ein treffendes Sprichwort: "Das Kind mit dem Bade ausschütten".

Inzwischen haben sich quer durch den ganzen DTK Initiativen gegen die Einführung einer solchen "Körzucht" gebildet und eine Züchterbefragung gestartet. Als Reaktion darauf hat der Bundeszuchtwart auf Kosten des DTK - also auf Kosten der gesamten Mitgliedschaft - an alle Delegierten zur Delegiertenversammlung des DTK sowie an alle Gruppen- und Sektionsvorsitzenden im DTK eine wortreiche insgesamt 11-seitige Rechtfertigungsschrift geschickt, in der er zum Schluß die Züchterbefragung als "überflüssig" bezeichnet.

Ich habe die Argumente des Bundeszuchtwartes sorgfältigst geprüft. Sie sind nach meiner persönlichen Auffassung nicht geeignet, meine hier dargelegte Einstellung zur "Körzucht" in irgendeiner Weise zu beeinflussen.

Aus allen genannten Gründen bleibt nur zu hoffen, daß die Vernunft siegen und in der nächsten Delegiertenversammlung des DTK dieser Entwurf einer "Körordnung" mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wird.

 

Aber es gibt noch weitere bürokratische Auswüchse, die nichts mit der "Körordnung" zu tun haben.:

Im DACHSHUND 3/2002 ist auf Seite 54 eine Liste unter der Überschriftl "Zucht-Ausschluss 2001" zu finden. Dort sind Hunde aufgeführt, die im Jahr 2001 wegen PRA oder Katarakt als "zuchtuntauglich" erklärt worden sind. Von diesen Hunden werden die Stammbuchnummern genannt. Unter "Katarakt" findet man u.a. die Nummern 87Z1411 R/Zw, 9006715 R, 9305241 R und 93K7831 K/Kt. Ich habe daraufhin in den Teckel-Stammbüchern nachgesehen, um welche Hunde es sich dabei handelt.

Der dürrlaubfarbene Rüde mit der Stb.-Nr. 87Z1411 R/Zw ist laut Stammbuch des DTK am 11.2.1987 geboren worden. Der schwarzrote Rüde mit der Stb.-Nr. 9305241 R ist am 10.6.1993 zur Welt gekommen, und die schwarzrote Hündin 93K7831 K/Kt ist am 18.5.1993 geworfen worden. Die genannten Hunde wurden oder waren also bereits zur Zeit der Untersuchung 14 Jahre bzw. 8 Jahre alt! Das sind die Tatsachen.

Und hier meine Meinung als Züchter: Es befremdlich, einen 14-jährigen Rüden und eine 8-jährige Hündin wegen "Katarakt" als "zuchtuntauglich" zu erklären, denn zu den genetisch bedingten Augenkrankheiten gehört die Cataracta juvenilis, also der bereits im jugendlichen Alter auftretende Graue Star, nicht jedoch der Graue Star, der bei Mensch und Tier im Alter auftritt, und der Graue Star, der sich mitunter als Folge einer schweren Augenverletzung einstellt. Es wäre interessant, zu erfahren, ob die genannten Hunde auf Grund eines Befundes von DOK-Untersuchern als "zuchtuntauglich" erklärt worden sind.

 

Noch befremdlicher ist die ebenfalls auf Seite 54 des DACHSHUNDES 3/2002 zu lesende Zuchtuntauglichkeitserklärung für die Hunde

1.)  Zara vom Killertal V8901629 R, Wurftag 24.12.1987 (Alter somit 13 Jahre) wegen PRA
2.)  Mucki vom kleinen Troll 9715684 L, Wurftag 7.7.1997, wegen Kastration
3.)  Xavier von der Weberwiese 0002692 R, WT 3.4.2000, wegen Kastration.

Zu 1.)  Mit einer Hündin im Alter von 13 Jahren darf sowieso nicht mehr gezüchtet werden. Außerdem ist noch längst nicht festgestellt, ob das Auftreten von PRA bei Hunden im Alter von 13 und mehr Jahren nicht eine Alterserscheinung ist.

Zu 2.) und 3.)  Eine Zuchtuntauglichkeitserklärung für einen Hund, der bereits auf Grund einer Kastration tatsächlich zuchtuntauglich ist, ist nicht nachvollziehbar. Die auf der Ahnentafel eingetragene Zuchtuntauglichkeitserklärung soll verhindern, daß mit biologisch zuchtfähigen Hunden, die nachweislich Fehler vererben können oder müssen, weitergezüchtet wird. Insofern hat in diesen Fällen eine Zuchtuntauglichkeitserklärung sehr wohl ihre Berechtigung. Doch wenn ein Hund wegen Kastratation überhaupt keine Nachkommen bekommen kann - was soll dann noch diese Zuchtuntauglichkeits-Erklärung? Solche bürokratischen Bocksprünge wirken absurd und sind geeignet, dem Ansehen des DTK Schaden zuzufügen.

 

Und da gibt es noch eine Regelung in den Zucht- und Eintragungsbestimmungen, die geradezu kontraproduktiv auf die Bereitschaft zum Züchten und zum Besuchen von Zuchtschauen und Ausstellungen wirkt. Die auf Zuchtschauen und Ausstellungen vergebenen Formwerte lauten VORZÜGLICH, SEHR GUT, GUT, GENÜGEND, NICHT GENÜGEND. Gezüchtet darf nur werden mit Hunden mit dem Mindest-Formwert SEHR GUT. Diese Regelung ist zwar sprachlich angreifbar, weil in diesem Falle der Formwert GUT bereits SCHLECHT = ZUCHTUNTAUGLICH bedeutet, doch diese Sprachverschluderung dürfte von der Politik inspiriert worden sein, wo sich mit Worten wie "NULLWACHSTUM", "FREISETZEN" and ähnlichem sprachlichem Unfug trefflich streiten läßt. Aber in der Sache ist sie durchaus nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar ist die Regelung, daß bereits ein einmal vergebenes GUT - auch wenn der Hund davor den Formwert VORZÜGLICH errungen hatte, diesen Hund von der Zucht ausschließt, also eine Zuchtuntauglichkeitserklärung darstellt. Nun sind aber Formwert- und Ausstellungsrichter auch nur Menschen; sie haben ihre guten und ihre schlechten Tage. Ich habe sowohl objektive und freundliche als auch voreingenommene und übellaunige Richter erlebt oder beobachtet. Und auch Hunde haben ihre guten und ihre schlechten Tage. An manchen Tagen laufen sie gut und zeigen sich von ihrer besten Seite und an manchen Tagen tun sie das nicht. Oft haben die Rahmenbedingungn entscheidenden Einfluß auf Mensch und Hund. Beispielsweise herrschten bei der Bundessieger-Zuchtschau 1983 in Dortmund katastrophale Verhältnisse. Auf Grund eines Planungfehlers mußte die Ausstellung in einem großen Zelt stattfinden. Es war Herbst und die Außentemperatur war recht niedrig. Der Boden war ungeeignet und der Atem von Mensch und Tier kondensierte an der Zelt-Decke und fiel ständig in großen kalten Tropfen auf Mensch und Tier, auf Tische und Stühle sowie auf Schreibmaschinen und Urkunden nieder. Die Hunde liefen schlecht - jedenfalls die meisten - und die Richter (nicht alle!) hatten schlechte Laune. Wären die Rahmenbedingungen besser gewesen, hätten sich viele Hunde auch besser gezeigt. Ich habe jedenfalls die Konsequenzen gezogen und bin nie mehr nach Dortmund gefahren.

Früher war es so, daß man mit einem Hund, der nur den Formwert GUT bekommen hatte, dann zur nächsten Zuchtschau oder Ausstellung fuhr, um sich dort ein SEHR GUT oder ein VORZÜGLICH zu holen. Doch dann kam jemand auf die Idee, das zu unterbinden. Wenn der Hund einmal ein GUT bekommen hatte, ist er nach dem Willen dieser Regelung für alle Zeiten zuchtuntauglich. Zwar wurde - auf dem Papier - eine Beschwerdemöglichkeit in der Weise geschaffen, daß eine aus drei Richtern bestehende Kommission verfügen konnte, den Hund noch einmal für eine Zuchtschau zuzulassen, aber in der Praxis ließ sich diese Regelung nicht durchführen.

Diese Regelung wurde auf der Delegiertenversammlung des DTK im Jahre 2001 etwas entschärft, aber das lebenslängliche AUS für Hunde, die ein GUT verpaßt bekamen und keine Leistungszeichen haben, ist geblieben.

Die Folge dieser Regelung ist ein katastrophaler Rückgang der Meldungen für Zuchtschauen und Ausstellungen. Wer bei seinem Hund nicht sicher ist, sofort ein VORZÜGLICH zu bekommen, sondern nur ein SEHR GUT erwartet, wird seinen Hund nur einmal im Leben vorführen und dann nie wieder.

 

Hier ist eine grundlegende Reform und Vereinfachung der Zucht- und Eintragungsbestimmungen anstelle einer ständig zunehmenden Bürokratisierung und Bevormundung der Züchter überfällig. Es sind Parallelen zur Politik erkennbar. Es sei hier an die grundlegenden Arbeiten des Volkswirtschaftlers und Finanzwissenschaftlers Adolph Heinrich Gotthilf Wagner (1835 bis 1917) und an sein "Gesetz der wachsenden Ausdehung der Staatstätigkeit" (Wagnersches Gesetz) erinnert. Auch muß der britische Historiker Cyril Northcote Parkinson (1909 bis 1993) hier genannt werden. Sein Buch "Parkinson's law, the pursuit of progress" enthält ironisch formulierte Regeln über die Entwicklung bürokratischer Verwaltungen, die die Gefahren des Leerlaufs und des Zusammenbrechens großer und komplizierter Verwaltungsapparate beschreiben. Die Hauptregel besagt, die bürokratische Regel werde so lange ausgeweitet, bis sie die zur Verfügung stehende Zeit ausfülle.

Hätten die Züchter, die ihre Hunde über das Kriegsende retten konnten, nach 1945 unter Inkaufnahme der allergrößten Opfer die Teckelzucht nicht wieder aufgebaut, und zwar in Eigenverantwortung und ohne jedwede Reglementierung, dann würde es heute keine Teckelzucht in Deutschland mehr geben. Das sollten die Reglementierer von heute niemals vergessen!