In Tempelhof

Als wir nun in unsere neue Wohnung einziehen konnten, war die erste Aktion, unsere Hunde wieder einzusammeln. Es war noch nichts eingerichtet; abends legten wir die Matratzen auf die Erde, unsere Hunde legten sich dazu - und so verbrachten wir einige Nächte, bis die Möbel abgeholt und zusammengeschraubt waren. Aber es ging vorwärts, und nach ein paar Wochen sah es schon einigermaßen wohnlich aus.

Natürlich war die Wohnung viel zu klein. Außerdem konnten wir unsere Maschinen und Lagerbestände nicht ewig in den Räumen der Schokoladenfabrik in Reinickendorf lassen. Wir brauchten also unbedingt Geschäfts- oder zumindest Lagerräume in der Nähe der Wohnung. Ich klapperte nun täglich alle Straßen in der Umgebung ab, aber es war nichts zu finden. Da entdeckte ich zufällig an den Fenstern eines merkwürdigen flachen Gebäudes, das sich am Tempelhofer Damm gegenüber den Flughafengebäuden befand, ein rotleuchtendes Plakat: Geschäftsräume zu vermieten. Ich suchte also den Eingang - er befand sich um die Ecke im Bayernring - und wollte die Hausverwaltung aufsuchen. Ich kam in einen riesigen Flur mit vielen Türen. Irgendwo entdeckte ich einen Zettel mit der Aufschrift "Zur Hausverwaltung". Ich folgte dem Hinweis und kam dann in einen quadratischen hohen Raum mit vier großen Flügeltüren. Eine dieser Türen stand offen. Dahinter erstreckte sich ein weiterer langer Flur mit vielen Türen an beiden Seiten. Ganz am Ende dieses Flures fand ich schließlich eine Tür mit der Aufschrift "Hausverwaltung". Bis dorthin hatte ich es also geschafft. Leider war niemand da; es war aber angegeben, wann Sprechzeit war.

Am nächsten Vormittag fand ich mich wieder dort ein und traf auch jemanden an. Ich erfuhr, daß das Gebäude Bundeseigentum war und der Bundesvermögensverwaltung unterstand, die ihrerseits wiederum die Hausverwaltung an die derzeitige Verwalterin abgegeben hatte. Zuerst ließ ich mir die Räume zeigen. Wieder ging es die endlosen Flure entlang bis zum anderen Ende des L-förmigen Gebäudes. Es handelte sich um einen großen und einen kleineren Raum. Es war Zentralheizung vorhanden und es gab auch einen Wasser- und Abwasser-Anschluß in dem kleineren der beiden Räume. Die Toilettenräume waren auf dem Flur. Zu diesem Objekt gehörte natürlich auch ein Keller. Es ging also wieder den langen Flur zurück bis zum Eingang, und dann ging es zwei Etagen in die Tiefe. Die Raumhöhe dieser unterirdischen Räume war gewaltig. Der zu dem Objekt gehörende Keller hatte etwa die gleiche Größe wie die eigentlichen Mieträume. Und der Keller war warm und trocken, da die Heizungsrohre durch die Räume geführt waren.

Ich erfuhr auch etwas über die Geschichte des Gebäudes. Es gehörte eigentlich zu dem Komplex der Flughafengebäude, hatte den spiegelbildlichen Grundriß zu dem gegenüberliegenden Gebäude und sollte auch genauso hoch werden. Durch den Krieg war das Bauvorhaben nicht fertiggestellt worden. Die oberen Stockwerke wurden nie gebaut. Doch in der Tiefe war alles komplett. Unter der zweiten Keller-Etage gab es noch weitere Stockwerke, doch das Treppenhaus war nach Kriegsende auf Veranlassung der Amerikaner zugemauert worden. Auch die quer unter dem Tempelhofer Damm befindlichen Verbindungsgänge zu den anderen Gebäuden, die noch unter der U-Bahn verliefen, waren zugemauert worden. Man sagte, daß diese Gänge, in denen teilweise Bahngleise liegen sollten, bis zum Bahnhof Tempelhof führen sollten. An den Flurwänden in den Kellergeschossen sah man alte Telefonleitungen mit Blei-Ummantelung, die irgendwo in der Wand verschwanden. Wer weiß, wo diese Leitungen einst hinführten und welche hochgeheimen Gespräche darüber liefen. In den Mauern wohnte in gespenstischer Weise der Geist der Vergangenheit.

Ich wurde mit der Hausverwalterin handelseinig, bekam die Schlüssel und durfte sofort von den Räumen Besitz ergreifen. Wir konnten nun unsere Firmeneinrichtung und unseren Lagerbestand aus den diversen Unterstellplätzen wieder abholen und uns in den neuen Räumen einrichten. Die Druckeinrichtung mit Repro-Kamera und die technische Werkstatt kamen in den kleineren Raum, während Schreibtisch, Regale und Warenbestand in den großen Raum kamen. Irgendwo vor dem Grundstück fand ich ein Ausgußbecken. Ich kaufte noch einen Wasserhahn und das zugehörige Sanitär-Material und betätigte mich zum ersten Mal in meinem Leben als Klempner. Es hatte dann auch geklappt; alles war dicht - und wir konnten mit der Arbeit beginnen.

Eine der ersten Aktionen war die Beantragung eines Telefonanschlusses. Als das erledigt war und wir dort telefonisch erreichbar waren, machte ich eines Tages einen seltsamen Fund. Ganz in der Nähe standen am Straßenrand zwei graue Metallkästen und ein großer Karton, aus dem einige dicke Kabel hervorragten. Ich stieg vom Fahrrad ab und sah mir an, was da lag. Es war eine komplette Telefonanlage für zwei Amtsleitungen mit vier Sprechstellen und zwei außenliegenden Nebenstellen. Und das schönste war: es befanden sich sämtliche Stromlaufpläne, Verdrahtungspläne und sonstigen Service-Unterlagen in den Metallschränken. Die Anlage war offensichtlich ausrangiert worden, weil sich die Besitzer etwas moderneres angeschafft hatten. Ich lud also die Anlage stückweise auf mein Fahrrad und transportierte sie zu unserem neuen Firmensitz. In der nächsten Zeit war ich voll und ganz mit der Installation der Anlage beschäftigt. Alles funktionierte einwandfrei. Ich suchte mir dann noch eine der alten Blei-Leitungen, die in den Keller führten, heraus, schloß unten einen normalen Telefonapparat an, verband das obere Ende der Leitung mit der Nebenstellenanlage und war nun auch im Keller erreichbar bzw. konnte vom Keller aus Telefongespräche sowohl nach oben als auch über das Amt führen.

Als ich eines Tages nach Hause kam, saß meine Frau mit zwei entzückenden schwarzroten Junghunden in der Küche. Das waren Szu und Sonia z Taczanowa, zwei der Kinder von Robby aus seiner Verbindung mit der Tigerteckel-Hündin Neatly Canis Venator. Herr Taczanowski aus Posen war dagewesen und hatte die beiden mitgebracht. Sonia war uns ja als Deckgebühr-Hündin zugesagt worden, und Szu sollte dann von Frau G. aus Uelzen abgeholt werden. Herr T. ließ uns die Gesundheits-Zertifikate für die beiden Hunde da; die Ahnentafeln waren jedoch noch nicht fertig. Herr T. wollte wiederkommen, wenn sie bei ihm eingetroffen seien. Mit Frau G. hatte Herr T. einen Kaufpreis von DM 400,- für den Rüden Szu vereinbart, der bei Aushändigung der Ahnentafel fällig war. Der erste Abend war noch friedlich. Die neuen Hunde waren durch die neue Umgebung völlig eingeschüchtert. Doch das sollte sich schon am zweiten Tag ändern. Sonia begann zu kläffen, und zwar durchdringend und ohne Pause. Zwar wurde sie hin und wieder müde, aber wenn sie sich ausgeruht hatte, ging es von vorn los. Und dann gab es auch bald die erste Eifersuchts-Szene. Als wir sagten: "Sonja, wie siehst du schön aus", wurden diese Worte von Aida gehört und verstanden - und Aida ging auf Sonia los. Seitdem mußten wir mit solchen Äußerungen sehr vorsichtig sein.

Bei Szu war bisher nur ein Hoden an der richtigen Stelle. Der andere kam nicht. Als nach ein paar Wochen Herr T. mit den Ahnentafeln kam und der Kaufpreis für Szu fällig wurde, legte ich natürlich den vereinbarten Preis von DM 400,- für Frau G. aus. Als Frau G. hörte, daß der Hoden noch immer nicht da sei, wollte sie den Rüden nicht mehr habe. Da wir den Rüden nicht wieder nach Polen zurückgeben wollte, entschlossen wir uns, ihn zu behalten. Ich versuchte es dann mehrere Wochen mit täglicher Massage - und eines Tages waren beide Hoden an der richtigen Stelle. Und so war ich zu einem wunderschönen sehr vielversprechenden Rüden mit einem sehr langen Fang gekommen. Später erhielt ich noch von Herrn T. ein Blatt, auf dem noch zwei weitere Vorfahren-Generationen verzeichnet waren. Es stellte sich heraus, daß die meisten der Vorfahren von Szu und Sonja aus den Blutlinien "von der Zeckenleiten" und "Kamphausen's" stammten und tatsächlich nur ein Achtel polnischer Abstammung war.

Es dauerte nicht lange, daß wir nochmals Zuwachs bekamen. Bei Frau Kapitza waren die Hunde aus der Verbindung von Robby mit der polnischen Hündin Linka Fiedja inzwischen soweit herangewachsen, daß sie abgegeben werden konnten. Auch mit Frau Kapitza hatte ich vereinbart, daß ich statt einer Deckgebühr einen Welpen bekomme. Frau Fritze rief mich Ende Juli 1985 an, daß sie demnächst die Wurfabnahme durchführen werde. Wir vereinbarten den 25.7.1985 als Abnahme- und Übergabetermin, und dann trafen wir uns in der Wohnung von Frau K., die damals in der Hussitenstraße im Bezirk Wedding wohnte. Alle drei Hunde sahen prächtig aus. Die Hündin Alfa wollte Frau K. selbst behalten; es standen also nur die beiden Rüden zur Auswahl. Ich entschied mich für den kleineren der beiden. Das war der Ago von dem Ahornthal. Der etwas größere Rüde, Asmodus, wurde dann an einen Postbeamten in Moabit verkauft. Ich sollte ihn später noch öfter wiedersehen.

Unsere Wohnungseinrichtung war inzwischen schon weiter gediehen. In das "halbe" Zimmer hatte ich ein sogenanntes Hochbett eingebaut, das praktisch die Funktion einer Zwischendecke hatte. Am Tage war eine Hunde-Gruppe unten in der Kammer, und in der Nacht nahm ich die Hunde nach oben ins Bett.

Am 18.10.1986 kam unser C-Wurf zur Welt.

Die C-Hunde Cassio (links), Canio (hinten), Carmen (rechts) und Chrysothemis (vorn)
Foto vom Januar 1987

Im Sommer 1988 hatte ich ein sehr unangenehmes Erlebnis. Bei einer meiner Früh-Hunderunden war ich mit drei Hunden unterwegs. Als ich an der Bus-Haltestelle Attila- Ecke Chlodwigstraße vorbeikam, standen dort einige Menschen, die auf den Bus warteten. Ein kleiner Junge, den ich schon öfter gesehen hatte, verschwand hinter dem Wartehäuschen; ich achtete kaum auf ihn, da die Hunde bellten und weiter in Richtung Gersdorfstraße oder Marienhöhe wollten. Ein paar Tage später flatterte mir eine amtliche Verfügung auf den Tisch. Mir wurde mitgeteilt, daß gegen mich Strafanzeige erstattet worden sei, da meine Hunde über einen kleinen Jungen hergefallen seien und ihn durch Bißwunden verletzt hätten. Es wurde eine "Zeugin" benannt, die gesehen haben wollte, daß meine Hunde den Jungen gebissen hätten. Für die Hunde wurde dauernder Leinenzwang verfügt und außerdem wurde mir ein Bußgeld auferlegt. Ich legte natürlich unverzüglich Einspruch ein, da der Junge zu keinem Zeitpunkt näher als zwei Meter an die Hunde herangekommen war. Die Gegenseite hatte einen Rechtsanwalt mit der "Wahrung ihrer Interessen" beauftragt, der u.a. behauptete, meine Hunde seien "als bissig bekannt". Ich selber hätte eingeräumt, daß die Hunde bissig seien. Mein Einspruch wurde von der Behörde zurückgewiesen, sodaß ich vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bescheid der Behörde klagen mußte. Die Angelegenheit zog sich noch eine ganze Weile hin. Die Entscheidung fiel erst, als wir nicht mehr in Tempelhof wohnten.

Auch gab es im Hause selbst Probleme. Damit die Hunde nicht die Treppenstufen hinab- und hinauflaufen sollten, packte ich sie stets in einen Wäschekorb, trug sie hinunter und nach der Hunderunde wieder hinauf. Ein Stockwerk tiefer - also im Erdgeschoß - wohnte eine türkische Familie namens Kalankan. Die Leute selber waren sehr nett, aber da gab es noch einen Sohn, der sehr selbstbewußt auftrat und so tat, als ob die Welt ihm gehöre. Eines Tages kam es zu einer Begegnung im Hausflur. Ich hatte wieder einmal Robby in Pflege und war dabei, mit ihm und Ruschi meine Runde zu machen. Den Wäschekorb hatte ich gerade im Hausflur neben der zum Hof führenden hinteren Tür abgestellt und hatte Robby und Ruschi an der Leine, als der bewußte Jüngling die Haustür aufriß und in den Flur stürmte. Robby und Ruschi bekamen zunächst einen Schreck und bellten dann den Jüngling an, der dann seinerseits einen Schreck bekam und ein paar Schritte rückwärts ging. Ich zog die beiden Hunde an ihren Leinen zurück, sodaß der Jüngling vorbei konnte. Dann ging ich auf die Straße und machte meine Runde. Ein paar Tage später erhielt ich einen Brief eines Rechtsanwaltes. Herr Kalankan junior wollte von einen Betrag in Höhe von DM 129,- als Schadensersatz für seine neuen Stiefel haben, die von meinen Hunden durch Bisse beschädigt worden seien. Natürlich lehnte ich diese Forderung ab, da keiner der Hunde mit Herrn Kalankan junior überhaupt in Berührung gekommen war. Und vom Bellen allein gehen schließlich keine Stiefel kaputt. Daraufhin erstattete der Jüngling - bzw. dessen Rechtsanwalt - Anzeige gegen mich. Herr Kalankan jun. und ich wurden zur Polizei bestellt. Als die Stiefel besichtigt wurden, stellte es sich heraus, daß die dort erkennbaren Beschädigungen (Schnitte und Kratzer) niemals von Hundezähnen herrühren konnten. Das Verfahren wurde eingestellt.

Unangenehmer war unser Wohnungsnachbar, ein gewisser Herr Neumärkel. Obwohl wir zu allen Hausbewohnern nett und freundlich waren und stets grüßten, wenn wir jemanden sahen, war es unübersehbar, wie er sein Gesicht verzog, wenn er auch nur einen Hund einen zu sehen bekam. Nach der Kalankan-Affäre merkten wir, daß die übrigen Mieter sich von uns distanzieren wollten. Wenn wir einem Nachbarn auf der Straße begegneten, sah er weg. Eines Tages bekamen wir ein Schreiben der Wohnungsbaugesellschaft "Stadt und Land", der der gesamte Wohnblock zwischen Attilastraße, Attilaplatz, Rathausstraße, Wolframstraße und Chlodwigstraße gehörte. Uns wurde mitgeteilt, daß eine Beschwerde der Mieter gegen uns vorläge. Es war von Herrn Neumärkel eine Unterschriftensammlung gegen die Hundehaltung im Hause durchgeführt worden, und alle anderen Mieter hätten unterschrieben. Es wurde behauptet, daß unsere Hunde die ganze Nacht hindurch bellen, daß sie das Treppenhaus, den Hausflur und den Zugangsweg zur Haustür ständig verunreinigten. Wir stellten richtig, daß die Hunde in der Nacht schlafen, daß noch niemals einer unserer Hunde das Haus verschmutzt habe, und daß wir peinlichst darauf achteten, daß der Eingangsweg sauber bliebe. Es ergab sich ein längerer Schriftwechsel. Die Wohnungsbaugesellschaft forderte die Abschaffung aller Hunde. Anderenfalls würde sie das Mietverhältnis kündigen.

Etwa zur selben Zeit braute sich etwas in unserem Domizil am Tempelhofer Damm zusammen. Der Senat von Berlin wollte ein neues Polizeipräsidium bauen und wollte diesen Neubau unbedingt in der Nähe der anderen Polizei-Gebäude am Platz der Luftbrücke errichten. Da das niemals fertiggestellte Gebäude am Bayernring als ehemaliges Reichseigentum der Bundesvermögensverwaltung unterstand, mußte also zwischen Senat und Bund verhandelt werden. Diese Verhandlungen zogen sich über mehrere Jahre hin. Wir hofften, daß sich das Bundesvermögensamt und der Senat von Berlin sich nicht einigen würden, doch diese Hoffnung wurde immer kleiner. Es erschienen mehrere Kommissionen, die das Gebäude besichtigten und sich ständig Notizen machten. Schließlich schickte die Hausverwaltung allen Mietern die Kündigung.

Jetzt waren wir in der Klemme. Wir mußten uns nun ernergisch um neue Räume kümmern, um Räume, die geeignet für uns wären, die groß genug für uns wären, und die auch einen trockenen Keller hätten. Und diese Räume mußten auch bezahlbar sein.

Ich setzte mich also Tag für Tag auf mein Fahrrad und fuhr die gesamte Umgebung ab. In den Bezirken Kreuzberg und Neukölln kannte ich nach ein paar Wochen beinahe jede Straße. In Neukölln fand ich ein Objekt in der Sonnenallee - wieder eine Ladenwohnung - , aber das Objekt war zu klein und zu ungünstig gelegen. Dann verlegte ich meine Aktivitäten weiter nördlich nach Moabit. Dort gab es mehrere Objekte, aber man wußte dort nicht, ob nicht schon der Abriß dieser Gebäude geplant war. Die Perleberger Straße mit ihren Nebenstraßen hatte ich bereits durchkämmt, als ich schließlich an der Lehrter Straße angelangt war. Dort wurden Altbau-Häuser saniert; überall sah man Gerüste und vor jedem Haus lag ein Haufen Bauschutt. Es gab einen offiziellen Plan, diese Häuser nicht abzureißen, sondern zu sanieren. In mehreren Ladenwohnungen befanden sich türkische oder arabische Geschäfte, aber das störte uns nicht. Schließlich entdeckte ich unter einem Gerüst vor dem Hause Lehrter Straße 53 einen leerstehenden ehemaligen Fleischerladen. Im Fenster klebte ein leuchtendes Plakat mit der Aufschrift "Zu vermieten!" und mit einer Telefonnummer eines Immobilienbüros. Ich ging zuerst in den Hausflur hinein. Die Eingangstür zu dem Objekt stand offen; ich betrat den Korridor und sah aufgerissene Wände, riesige Mauerdurchbrüche und überall Bauschutt. Es war tatsächlich eine riesige Baustelle. Ob diese Räume in absehbarer Zeit bewohnbar würden, wagte ich, zu bezweifeln. Doch mir blieb keine andere Wahl. Die Situation sowohl in der Attilastraße als auch am Bayernring wurde immer unhaltbarer. Also mußten wir unser Glück in der Lehrter Straße versuchen.

Als ich wieder zu Hause angekommen war, rief ich gleich dort an. Der Besitzer der Immobilienfirma war recht aufgeschlossen. Wir vereinbarten eine Besichtigung am nächsten Tage.

Zu dem Besichtigungstermin waren wir natürlich sehr pünktlich. Ein freundlicher älterer Herr erschien, der sich als der Vermieter Norbert K. vorstellte. Er schloß die Ladentür auf und zeigte uns die Räume. Der Laden hatte zwei Schaufenster. Rechts neben dem Ladenraum befand sich ein größeres Zimmer, das wohl als Büro oder Werkstatt gedacht war. Hinter dem Laden und diesem Büro-/Werkstattraum verlief - parallel zur Straße - der Korridor, den ich schon am Vortage betreten hatte. Am Ende des Korridors ging eine gewendelte Treppe nach unten. Auf den Stufen lag zwar überall Bauschutt, aber wir kämpften uns in die Kellerräume durch. Und nun kam die Überraschung: In der Unterwelt befanden sich drei Kellerräume mit gemauerten Wänden, die früher als Kühlräume für die Fleischerei gedient hatten.